Coriolanus

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Brutus. Das Volk ist gegen ihn empört.

Sicinius. Halt ein! Sonst Unheil überall.

Coriolanus. Dies eure Herde? Die müssen Stimmen haben, jetzt zum Ja Und gleich zum Nein?--Und ihr, was schafft denn ihr? Seid ihr das Maul, regiert nicht ihre Zähne? Habt ihr sie nicht gehetzt?

Menenius. Seid ruhig, ruhig!

Coriolanus. Das ist nur ein Komplott und abgekartet, Um die Gewalt des Adels zu zerbrechen. Duldet's--und lebt mit Volk, das nicht kann herrschen Und nicht beherrscht sein.

Brutus. Nennt es nicht Komplott. Das Volk schreit, ihr verhöhntet es, und neulich, Als Korn umsonst verteilt ward, murrtet Ihr, Schmähtet die Volkesfreunde, schaltet sie Des Adels Feinde, Schmeichler, Zeitendiener.

Coriolanus. Nun, dies war längst bekannt.

Brutus. Allein nicht allen.

Coriolanus. Gabt ihr die Weisung ihnen jetzt?

Brutus. Ich, Weisung?

Coriolanus. Solch Tun sieht Euch schon ähnlich.

Brutus. Nicht unähnlich, Und jedenfalls doch besser als das Eure.

Coriolanus. Warum denn ward ich Konsul? Ha! beim Himmel! Nichtswürdig will ich sein wie ihr, dann macht mich Zu euerm Mittribun.

Sicinius. Zuviel schon tut Ihr Zur Aufreizung des Volks. Wollt Ihr die Bahn, Die Ihr begannt, vollenden, sucht den Weg, Den Ihr verloren habt, mit sanfterm Geist. Sonst könnt Ihr nimmermehr als Konsul herrschen, Noch als Tribun zur Seit ihm stehn.

Menenius. Nur ruhig!

Cominius. Man täuscht das Volk, verhetzt es.--Solche Falschheit Ziemt Römern nicht. Verdient hat Coriolan Nicht, daß man ehrlos diesen Stein ihm lege In seine Ehrenbahn.

Coriolanus. Vom Korn mir sprechen? Dies war mein Wort, und ich will's wiederholen.

Menenius. Nicht jetzt, nicht jetzt!

Erster Senator. Nicht jetzt in dieser Hitze.

Coriolanus. Bei meinem Leben! jetzt laßt mich gewähren, Ihr Freunde! Ihr vom Adel! Fest schau die schmutzge wankelmütge Menge Mich an, der ich nicht schmeichle, und bespiegle Sich selbst in mir.--Ich sag es wiederum: Wir ziehn, sie hätschelnd, gegen den Senat Unkraut der Rebellion, Frechheit, Empörung, Wofür wir selbst gepflügt, den Samen streuten, Da wir mit uns, der edlern Zahl, sie mengten, Die keine andre Macht und Tugend missen, Als die sie selbst an Bettler weggeschenkt.

Menenius. Nun gut, nichts mehr!

Erster Senator. Kein Wort mehr, laßt Euch bitten!

Coriolanus. Wie? nicht mehr? Hab ich mein Blut fürs Vaterland vergossen, Furchtlos dem fremden Dräun, so soll die Brust Laut schelten, bis sie bricht auf diesen Aussatz, Vor dessen Pest wir graun, und tun doch alles, Um von ihm angesteckt zu sein.

Brutus. Ihr sprecht vom Volk Als wäret Ihr ein Gott, gesandt zu strafen, Und nicht ein Mensch, so schwach wie sie.

Sicinius. Gut wär es, Wir sagten dies dem Volk.

Menenius. Wie! seinen Zorn?

Coriolanus. Zorn! Wär ich so sanft wie mitternächtger Schlaf, Beim Jupiter! dies wäre meine Meinung.

Sicinius. Und diese Meinung Soll bleiben in sich selbst verschloßnes Gift, Nicht andre mehr vergiften noch.

Coriolanus. Soll bleiben? Hört ihr der Gründlinge Triton? Bemerkt ihr Sein herrschend "Soll"?

Cominius. 's war ungesetzlich.

Coriolanus. Soll! Du guter, aber höchst unkluger Adel! Ehrbare, doch achtlose Senatoren! Wie gebt ihr so der Hydra nach, zu wählen Den Diener, der mit eigenmächtgem "Soll"

(Er nur Trompet und Klang des Ungeheuers),

Frech euern Strom in sumpfgen Teich will leiten Und eure Macht auf sich.--Hat er Gewalt, Neigt euch als blödgesinnt; wenn keine, weckt Die Langmut, die Gefahr bringt. Seid ihr weise, Gleicht nicht gemeinen Toren; seid ihr's nicht, Legt ihnen Polster hin.--Ihr seid Plebejer, Wenn Senatoren sie; sie sind nichts mindres, Wenn durch der Stimmen Mischung nur nach ihnen Das Ganze schmeckt. Sie wählten sich Beamte-- Wie diesen, der sein "Soll" entgegensetzt, Sein pöbelhaftes "Soll", weit würdgerm Rat, Als Griechenland nur je verehrt. Beim Zeus! Beschimpft wird so der Konsul, und mein Herz weint, Zu sehn, wie, wenn zwei Mächte sich erheben Und keine herrscht, Verderben, ungesäumt, Dringt in die Lücke zwischen beid und stürzt Die eine durch die andre.

William Shakespeare
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