Coriolanus

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Römer. Der große Brand ist gelöscht; aber eine geringe Veranlassung würde ihn wieder in Flammen setzen; denn den Edeln geht die Verbannung des würdigen Coriolan so zu Herzen, daß sie ganz in der Stimmung sind, dem Volk alle Gewalt zu nehmen und ihnen ihre Tribunen auf immer zu entreißen. Dies glimmt unter der Asche, das kann ich Euch versichern, und ist fast reif zum heftigsten Ausbruch.

Volsker. Coriolan verbannt?

Römer. Ja, verbannt.

Volsker. Mit der Nachricht werdet Ihr willkommen sein, Nikanor.

Römer. Das Wetter ist jetzt gut für euch. Man pflegt zu sagen, die beste Zeit, eine Frau zu verführen, sei, wenn sie sich mit ihrem Manne überworfen hat. Euer edler Tullus Aufidius kann sich in diesem Kriege hervortun, da sein großer Gegner Coriolanus jetzt für sein Vaterland nichts tut.

Volsker. Das kann ihm nicht fehlen. Wie glücklich war ich, Euch so unvermutet zu begegnen! Ihr habt meinem Geschäft ein Ende gemacht, und ich will Euch nun freudig nach Hause begleiten.

Römer. Ich kann Euch vor dem Abendessen noch höchst sonderbare Dinge von Rom erzählen, die ihren Feinden sämtlich zum Vorteil gereichen. Habt ihr ein Heer bereit? Wie?

Volsker. Ja, und ein wahrhaft königliches. Die Zenturionen und ihre Mannschaft sind schon förmlich verteilt und stehn im Sold, so daß sie jede Stunde aufbrechen können.

Römer. Es freut mich, daß sie so marschfertig sind, und ich denke, ich bin der Mann, der sie sogleich in Bewegung setzen wird. Also herzlich willkommen, und höchst vergnügt durch Eure Gesellschaft.

Volsker. Ihr nehmt mir die Worte aus dem Munde; ich habe die meiste Ursach, mich dieser Zusammenkunft zu freuen.

Römer. Gut, laßt uns gehn.

(Sie gehn ab.)

Zweite Szene

Antium. Vor Aufidius' Haus Coriolanus tritt auf in geringem Anzuge verkleidet und verhüllt.

Coriolanus. Dies Antium ist ein hübscher Ort. O Stadt! Ich schuf dir deine Witwen. Manche Erben Der schönen Häuser hört ich in der Schlacht Stöhnen und sterben.--Kenne mich drum nicht, Sonst morden mich mit Bratspieß deine Weiber, In kindscher Schlacht mit Steinen deine Knaben.

(Es kommt ein Bürger.)

Gott grüß Euch, Herr.

Der Bürger. Und Euch.

Coriolanus. Zeigt mir, ich bitte, Wo Held Aufidius wohnt. Ist er in Antium?

Bürger. Ja, und bewirtet heut in seinem Haus Die Ersten unsrer Stadt.

Coriolanus. Wo ist sein Haus?

Bürger. Dies ist's, Ihr steht davor.

Coriolanus. Lebt wohl. Ich dank Euch.

(Der Bürger geht ab.)

O Welt! du rollend Rad! Geschworne Freunde, Die in zwei Busen nur ein Herz getragen, Die Zeit und Bett und Mahl und Arbeit teilten, Vereinigt stets, als wie ein Zwillingspaar, In ungetrennter Liebe, brechen aus Urplötzlich durch den Hader um ein Nichts In bittern Haß.--So auch erboste Feinde, Die Haß und Grimm nicht schlafen ließ vor Planen, Einander zu vertilgen, durch 'nen Zufall, Ein Ding, kein Ei wert, werden Herzensfreunde, Und Doppelgatten ihre Kinder. So auch ich. Ich hasse den Geburtsort, liebe hier Die Feindesstadt.--Hinein! Erschlägt er mich, So übt er gutes Recht; nimmt er mich auf, So dien ich seinem Land.

(Geht ab.)

Dritte Szene

Halle in Aufidius' Hause Man hört Musik von innen; es kommt ein Diener

Erster Diener. Wein, Wein! Was ist das für Aufwartung?--Ich glaube, die Burschen sind alle im Schlaf. (Geht ab.) Ein zweiter Diener kommt.

Zweiter Diener. Wo ist Cotus? Der Herr ruft ihn. Cotus.

(Geht ab. Coriolanus tritt auf.)

Coriolanus. Ein hübsches Haus; das Mahl riecht gut. Doch ich Seh keinem Gaste gleich. Der erste Diener kommt wieder.

Erster Diener. Was wollt Ihr, Freund? Woher kommt Ihr? Hier ist kein Platz für Euch. Bitte, macht Euch fort.

Coriolanus. Ich habe bessern Willkomm nicht verdient, Wenn Coriolan ich bin. Der Zweite Diener kommt.

Zweiter Diener. Wo kommst du her, Freund? Hat der Pförtner keine Augen im Kopf, daß er solche Gesellen herein läßt? Bitte, mach dich fort.

Coriolanus. Hinweg!

Zweiter Diener. Hinweg? Geh du hinweg.

Coriolanus. Du bist mir lästig.

William Shakespeare
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