Antonio. Du weißt, mein sämtlich Gut ist auf der See; Mir fehlt's an Geld und Anstalt, eine Summe Gleich bar zu heben; also geh, sieh zu, Was in Venedig mein Kredit vermag: Den spann ich an bis auf das äußerste, Nach Belmont dich für Porzia auszustatten. Geh, frage gleich herum, ich will es auch, Wo Geld zu haben; ich bin nicht besorgt, Daß man uns nicht auf meine Bürgschaft borgt.

(Beide ab.)

Zweite Szene

Belmont. Ein Zimmer in Porzias Hause

(Porzia und Nerissa kommen)

Porzia. Auf mein Wort, Nerissa, meine kleine Person ist dieser großen Welt überdrüssig.

Nerissa. Ihr würdet es sein, bestes Fräulein, wenn Euer Ungemach in ebenso reichem Maße wäre, als Euer gutes Glück ist. Und doch, nach allem, was ich sehe, sind die ebenso krank, die sich mit allzuviel überladen, als die bei nichts darben. Es ist also kein mittelmäßiges Los, im Mittelstande zu sein. Überfluß kommt eher zu grauen Haaren, aber Auskommen lebt länger.

Porzia. Gute Sprüche, und gut vorgetragen.

Nerissa. Gut befolgt wären sie besser.

Porzia. Wäre tun so leicht als wissen, was gut zu tun ist, so wären Kapellen Kirchen geworden und armer Leute Hütten Fürstenpaläste. Der ist ein guter Prediger, der seine eignen Ermahnungen befolgt;--ich kann leichter zwanzig lehren, was gut zu tun ist, als einer von den zwanzigen sein und meine eignen Lehren befolgen. Das Gehirn kann Gesetze für das Blut aussinnen; aber eine hitzige Natur springt über eine kalte Vorschrift hinaus. Solch ein Hase ist Tollheit, der junge Mensch, daß er weghüpft über das Netz des Krüppels guter Rat. Aber dies Vernünfteln hilft mir nicht dazu, einen Gemahl zu wählen.--O über das Wort (wählen!) Ich kann weder wählen, wen ich will, noch ausschlagen, wen ich nicht mag: so wird der Wille einer lebenden Tochter durch den letzten Willen eines toten Vaters gefesselt. Ist es nicht hart, Nerissa, daß ich nicht (einen) wählen und auch keinen ausschlagen darf?

Nerissa. Euer Vater war allzeit tugendhaft, und fromme Männer haben im Tode gute Eingebungen: also wird die Lotterie, die er mit diesen drei Kästchen von Gold, Silber und Blei ausgesonnen hat, daß der, welcher seine Mitgift trifft, Euch erhält, ohne Zweifel von niemand recht getroffen werden als von einem, der Euch recht liebt. Aber welchen Grad von Zuneigung fühlt Ihr gegen irgendeinen der fürstlichen Freier, die schon gekommen sind?

Porzia. Ich bitte dich, nenne sie her; wie du sie nennst, will ich sie beschreiben, und von meiner Beschreibung schließe auf meine Zuneigung.

Nerissa. Zuerst ist da der neapolitanische Prinz.

Porzia. Das ist ein wildes Füllen, in der Tat. Er spricht von nichts als seinem Pferde und bildet sich nicht wenig auf seine Talente ein, daß er es selbst beschlagen kann. Ich fürchte sehr, seine gnädige Frau Mutter hat es mit einem Schmied gehalten.

Nerissa. Ferner ist da der Pfalzgraf.

Porzia. Er tut nichts wie stirnrunzeln, als wollt er sagen: "Wenn Ihr mich nicht haben wollt, so laßts!" Er hört lustige Geschichten an und lächelt nicht. Ich fürchte, es wird der weinende Philosoph aus ihm, wenn er alt wird, da er in seiner Jugend so unhöflich finster sieht. Ich möchte lieber an einen Totenkopf mit dem Knochen im Munde verheiratet sein als an einen von diesen. Gott beschütze mich vor beiden!

Nerissa. Was sagt Ihr denn zu dem französischen Herrn, Monsieur le Bon?

Porzia. Gott schuf ihn, also laßt ihn für einen Menschen gelten. Im Ernst, ich weiß, daß es sündlich ist, ein Spötter zu sein; aber er! Ja doch, er hat ein besseres Pferd als der Neapolitaner; eine bessere schlechte Gewohnheit, die Stirn zu runzeln, als der Pfalzgraf; er ist jedermann und niemand. Wenn eine Drossel singt, so macht er gleich Luftsprünge; er ficht mit seinem eigenen Schatten. Wenn ich ihn nähme, so nähme ich zwanzig Männer; wenn er mich verachtete, so vergäbe ich es ihm: denn er möchte mich bis zur Tollheit lieben, ich werde es niemals erwidern.

Nerissa. Was sagt Ihr denn zu Faulconbridge, dem jungen Baron aus England?

Porzia. Ihr wißt, ich sage nichts zu ihm, denn er versteht mich nicht, noch ich ihn.

William Shakespeare
Classic Literature Library

All Pages of This Book
Coriolanus
Der Erste Theil von K?nig Heinrich dem vierten
Der Kaufmann Von Venedig
Der Sturm
Der Zweyte Theil von K?nig Heinrich dem vierten
Die Irrungen
Ein Sommernachtstraum
Hamlet, Prinz von D?nnemark
Julius C?sar
Leben und Tod des K?nigs Johann
Leben und Tod Konigs Richard des zweyten
Maa? f?r Maa?
Macbeth
Othello, der Mohr von Venedig
Romeo und Julia
Romeo und Juliette
Timon von Athen
Was ihr wollt
Wie es euch Gefallt
The Merchant of Venice