Porzia. Nun wohl, bekennt und lebt!

Bassanio. Bekennt und liebt! Mein ganz Bekenntnis wäre dies gewesen. O selge Folter, wenn der Folterer Mich Antwort lehrt zu meiner Lossprechung? Doch laßt mein Heil mich bei den Kästchen suchen.

Porzia. Hinzu denn! Eins darunter schließt mich ein; Wenn Ihr mich liebt, so findet Ihr es aus. Nerissa und ihr andern steht beiseit.-- Laßt nun Musik ertönen, weil er wählt! So, wenn er fehltrifft, end' er Schwanen gleich Hinsterbend in Musik; daß die Vergleichung Noch näher passe, sei mein Aug der Strom, Sein wäßrig Totenbett. Er kann gewinnen, Und was ist dann Musik? Dann ist Musik Wie Paukenklang, wenn sich ein treues Volk Dem neugekrönten Fürsten neigt; ganz so Wie jene süßen Tön in erster Frühe, Die in des Bräutigams schlummernd Ohr sich schleichen Und ihn zur Hochzeit laden. Jetzo geht er Mit minder Anstand nicht, mit weit mehr Liebe, Als einst Alcides, da er den Tribut Der Jungfrau löste, welchen Troja heulend Dem Seeuntier gezahlt. Ich steh als Opfer, Die dort von fern sind die Dardanschen Fraun Mit rotgeweinten Augen, ausgegangen, Der Tat Erfolg zu sehn.--Geh, Herkules! Leb du, so leb ich! mit viel stärkerm Bangen Seh ich den Kampf, als du ihn eingegangen.

(Musik, während Bassanio über die Kästchen mit sich zu Rate geht.)

(Lied)

(Erste Stimme.) Sagt, woher stammt Liebeslust? Aus den Sinnen, aus der Brust? Ist euch ihr Lebenslauf bewußt? (Zweite Stimme.) In den Augen erst gehegt, Wird Liebeslust durch Schaun gepflegt; Stirbt das Kindchen, beigelegt In der Wiege, die es trägt, Läutet Totenglöckchen ihm; Ich beginne: Bim! bim! bim! (Chor.) Bim! bim! bim!

Bassanio. --So ist oft äußrer Schein sich selber fremd, Die Welt wird immerdar durch Zier berückt. Im Recht, wo ist ein Handel so verderbt, Der nicht, geschmückt von einer holden Stimme, Des Bösen Schein verdeckt? Im Gottesdienst, Wo ist ein Irrwahn, den ein ehrbar Haupt Nicht heiligte, mit Sprüchen nicht belegte, Und bürge die Verdammlichkeit durch Schmuck? Kein Laster ist so blöde, das von Tugend Im äußern Tun nicht Zeichen an sich nähme. Wie manche Feige, die Gefahren stehn Wie Spreu dem Winde, tragen doch am Kinn Den Bart des Herkules und finstern Mars, Fließt gleich in ihren Herzen Blut wie Milch! Und diese leihn des Mutes Auswuchs nur, Um furchtbar sich zu machen. Blickt auf Schönheit, Ihr werdet sehn, man kauft sie nach Gewicht, Das hier ein Wunder der Natur bewirkt, Und die es tragen, um so lockrer macht. So diese schlänglicht krausen goldnen Locken, Die mit den Lüften so mutwillig hüpfen Auf angemaßtem Reiz: man kennt sie oft Als eines zweiten Kopfes Ausstattung, Der Schädel der sie trug, liegt in der Gruft. So ist denn Zier die trügerische Küste Von einer schlimmen See, der schöne Schleier, Der Indiens Schöne birgt; mit einem Wort: Die Scheinwahrheit, womit die schlaue Zeit Auch Weise fängt. Darum, du gleißend Gold, Des Midas harte Kost, dich will ich nicht, Noch dich, gemeiner, bleicher Botenläufer Von Mann zu Mann; doch du, du magres Blei, Das eher droht als irgend was verheißt, Dein schlichtes Ansehn spricht beredt mich an: Ich wähle hier, und sei es wohlgetan!

Porzia. Wie jede Regung fort die Lüfte tragen! Als irre Zweifel, ungestüm Verzagen Und bange Schaur und blasse Schüchternheit. O Liebe, mäßge dich in deiner Seligkeit! Halt ein, laß deine Freuden sanfter regnen; Zu stark fühl ich, du mußt mich minder segnen, Damit ich nicht vergeh.

Bassanio (öffnet das bleierne Kästchen). Was find ich hier? Der schönen Porzia Bildnis? Welcher Halbgott Kam so der Schöpfung nah? Regt sich dies Auge? Wie, oder schwebend auf des meinen Wölbung, Scheint es bewegt? Hier sind erschloßne Lippen, Die Nektarodem trennt: so süße Scheidung Muß zwischen solchen süßen Freunden sein. Der Maler spielte hier in ihrem Haar, Die Spinne wob ein Netz, der Männer Herzen Zu fangen wie die Mück im Spinngeweb. Doch ihre Augen--o wie konnt er sehn, Um sie zu malen? Da er eins gemalt, Dünkt mich, es mußt ihm seine beiden stehlen Und ungepaart sich lassen.

William Shakespeare
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