Kommt, Antonio!

(Ab.)

Zweite Szene

Eine Straße

(Porzia und Nerissa kommen)

Porzia. Erfrag des Juden Haus, gib ihm die Akte Und laß ihn zeichnen. Wir wollen fort zu Nacht Und einen Tag vor unsern Männern noch Zu Hause sein. Die Akte wird Lorenzen Gar sehr willkommen sein.

(Graziano kommt.)

Graziano. Schön, daß ich Euch noch treffe, werter Herr. Hier schickt Euch Don Bassanio, da er besser Es überlegt, den Ring und bittet Euch, Mittags bei ihm zu speisen.

Porzia. Das kann nicht sein; Den Ring nehm ich mit allem Danke an Und bitt Euch, sagt ihm das; seid auch so gut, Den jungen Mann nach Shylocks Haus zu weisen.

Graziano. Das will ich tun.

Nerissa (zu Porzia). Herr, noch ein Wort mit Euch.--

(Heimlich.)

Ich will doch sehn, von meinem Mann den Ring Zu kriegen, den ich immer zu bewahren Ihn schwören ließ.

Porzia. Ich steh dafür, du kannst es. Da wird's an hoch und teuer Schwören gehn, Daß sie die Ring an Männer weggegeben; Wir leugnen's keck und überschwören sie. Fort! eile dich! Du weißt ja, wo ich warte.

Nerissa. Kommt, lieber Herr! wollt Ihr sein Haus mir zeigen?

(Ab.)

Fünfter Aufzug

Erste Szene

Belmont. Freier Platz vor Porzias Hause

(Lorenzo und Jessica treten auf)

Lorenzo. Der Mond scheint hell. In solcher Nacht wie diese, Da linde Luft die Bäume schmeichelnd küßte Und sie nicht rauschen ließ, in solcher Nacht Erstieg wohl Troilus die Mauern Trojas Und seufzte seine Seele zu den Zelten Der Griechen hin, wo seine Cressida Die Nacht in Schlummer lag.

Jessica. In solcher Nacht Schlüpft' überm Taue Thisbe furchtsam hin Und sah des Löwen Schatten eh als ihn Und lief erschrocken weg.

Lorenzo. In solcher Nacht Stand Dido, eine Weid in ihrer Hand, Am wilden Strand und winkte ihrem Liebsten Zur Rückkehr nach Karthago.

Jessica. In solcher Nacht Las einst Medea jene Zauberkräuter, Den Äson zu verjüngen.

Lorenzo. In solcher Nacht Stahl Jessica sich von dem reichen Juden Und lief mit einem ausgelaßnen Liebsten Bis Belmont von Venedig.

Jessica. In solcher Nacht Schwor ihr Lorenzo, jung und zärtlich, Liebe Und stahl ihr Herz mit manchem Treugelübd, Wovon nicht eines echt war.

Lorenzo. In solcher Nacht Verleumdete die artge Jessica Wie eine kleine Schelmin ihren Liebsten, Und er vergab es ihr.

Jessica. Ich wollt Euch übernachten, käme niemand. Doch horcht! ich hör den Fußtritt eines Manns. (Ein Bedienter kommt.)

Lorenzo. Wer kommt so eilig in der stillen Nacht?

Bedienter. Ein Freund.

Lorenzo. Ein Freund? was für ein Freund? Eur Name, Freund?

Bedienter. Mein Nam ist Stephano, und ich soll melden, Daß meine gnädge Frau vor Tages Anbruch Wird hier in Belmont sein; sie streift umher Bei heilgen Kreuzen, wo sie kniet und betet Um frohen Ehestand.

Lorenzo. Wer kommt mit ihr?

Bedienter. Ein heilger Klausner und ihr Mädchen bloß. Doch sagt mir, ist mein Herr noch nicht zurück?

Lorenzo. Nein, und wir haben nichts von ihm gehört. Doch, liebe Jessica, gehn wir hinein; Laß uns auf einen feierlichen Willkomm Für die Gebieterin des Hauses denken.

(Lanzelot kommt.)

Lanzelot. Holla, holla! he! heda! holla! holla!

Lorenzo. Wer ruft?

Lanzelot. Holla! habt Ihr Herrn Lorenzo und Frau Lorenzo gesehn? Holla! holla!

Lorenzo. Laß dein Hollarufen, Kerl! Hier!

Lanzelot. Holla! wo? wo?

Lorenzo. Hier!

Lanzelot. Sagt ihm, daß ein Postillon von meinem Herrn gekommen ist, der sein Horn voll guter Neuigkeiten hat: mein Herr wird vor morgens hier sein.

(Lanzelot ab.)

Lorenzo. Komm, süßes Herz, erwarten wir sie drinnen. Und doch, es macht nichts aus: wozu hineingehn? Freund Stephano, ich bitt Euch, meldet gleich Im Haus die Ankunft Eurer gnädgen Frau Und bringt die Musikanten her ins Freie.

(Stephano ab.)

Wie süß das Mondlicht auf dem Hügel schläft! Hier sitzen wir und lassen die Musik Zum Ohre schlüpfen; sanfte Still und Nacht, Stimmt zu den Klängen süßer Harmonie. Komm, Jessica! Sieh, wie die Himmelsflur Ist eingelegt mit Scheiben lichten Goldes! Auch nicht der kleinste Kreis, den du da siehst, Der nicht im Schwunge wie ein Engel singt, Zum Chor der hellgeaugten Cherubim. So voller Harmonie sind ewge Geister: Nur wir, weil dies hinfällge Kleid von Staub Und grob umhüllt, wir können sie nicht hören.

William Shakespeare
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