Der Sturm

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Miranda. Ich bitte euch, mein Vater.

Prospero. Weg, hänge dich nicht so an meinen Rok.

Miranda. Mein Herr, habet Mitleiden, ich will Bürge für ihn seyn.

Prospero. Schweige, noch ein einziges Wort mehr wird machen, daß ich dich ausschelte, oder gar hasse. Was? einem Betrüger das Wort reden? husch! du denkst, es habe nicht noch mehr solche Gesichter wie er ist, weil du nur den Caliban und ihn gesehen hast; einfältiges Ding! gegen die meisten Männer gerechnet, ist er nur ein Caliban, und sie sind Engel gegen ihn.

Miranda. So sind meine Neigungen sehr demüthig, denn ich habe kein Verlangen einen schönern Mann zu sehen.

Prospero. Komm mit, gehorche; deine Nerven sind wieder in ihrer Kindheit, und haben keine Stärke mehr.

Ferdinand. So ist es; alle meine Lebensgeister sind wie in einem Traum, gefesselt. Aber meines Vaters Tod, die Schwäche die ich fühle, der Schiffbruch aller meiner Freunde, und die Drohungen dieses Mannes, dem ich unterworfen bin, würden mir leicht zu ertragen seyn, möchte ich nur einmal des Tages durch eine Öfnung meines Kerkers dieses holde Mädchen sehen: Die Freyheit mag von dem ganzen Rest der Erde Gebrauch machen; für mich ist Raum genug in einem solchen Kerker.

Prospero (für sich.) Es würkt:

(laut)

folge mir! (du hast dich wohl gehalten, Ariel) folge mir.

(Zu Ariel.)

Höre, was du weiter zu verrichten hast.

(Er sagt dem unsichtbaren Ariel etwas in Geheim.)

Miranda (zu Ferdinand.) Fasset Muth, mein Herr; mein Vater ist von einer bessern Gemüthsart, als ihr aus seinen Worten schliessen könnt; sein iziges Betragen ist etwas ungewohntes.

Prospero (zu Ariel.) Du sollst so frey seyn als die Winde auf hohen Bergen; aber unter der Bedingung, daß du meinen Befehl in allen Puncten aufs genaueste vollziehest.

Ariel. Nach dem Buchstaben.

Prospero. Komm, folge mir! Sprich du nicht für ihn.

(Sie gehen ab.)

Zweyter Aufzug.

Erste Scene. (Ein andrer Theil der Insel.) (Alonso, Sebastian, Antonio, Gonsalo, Adrian, Francisco, und andre Hofleute, treten auf.)

Gonsalo. Ich bitte euch, Gnädigster Herr, gutes Muths zu seyn; wir haben alle Ursache zur Freude; denn unsre Errettung geht weit über unsern Verlust. Das Unglük das wir gehabt haben, ist etwas gemeines; jeden Tag hat irgend eines Schiffers Weib oder irgend ein Kauffmann das nehmliche Thema zu klagen; aber von einem solchen Wunder wie unsre Erhaltung ist, wissen unter Millionen nur wenige zu sagen. Wäget also, Gnädigster Herr, weislich unsern Kummer gegen unsern Trost, und beruhiget euch.

Alonso. Ich bitte dich, schweige.

[Sebastian.* Er nimmt deinen Trost an, wie kalte Suppe.

{ed.-* Alle diese Reden, welche man zur Unterscheidung in [ ] eingeschlossen, scheinen von einer fremden Hand, vielleicht von Schauspielern, eingeschoben, um so mehr als es nicht nur an sich sehr ungereimtes Zeug, sondern in dem Mund unglüklicher schiffbrüchiger Leute eine höchst unnatürliche und unschikliche Spaßhaftigkeit ist. Es kommen noch mehr Reden von dieser Art in dem übrigen Theil dieser Scene vor. Pope.}

Antonio. Gonsalo wird sich nicht so leicht abweisen lassen.

Sebastian. Seht, er zieht seinen Wiz auf wie eine Taschenuhr, den Augenblik wird er schlagen.

Gonsalo. Gnädigster Herr--

Sebastian. Eins; zählet, Antonio--

Gonsalo. Wenn einer einem jeden Verdruß der ihm aufstößt, nachhängen will, so hat er nichts davon als--

Sebastian. Einen Thaler.

Gonsalo. (Dolores),** in der That, ihr habt besser gesprochen, als ihr im Sinne hattet.

{ed.-** Der frostige Spaß ligt in dem ähnlichen Schall der Worte (dollar), und (dolour).}

Sebastian. Und ihr habt es weislicher aufgenommen, als ich euch zugetraut habe.

Gonsalo. Folglich, gnädigster Herr--

Antonio. Pfui, wie der Mann seine Zunge verschwendet!

Alonso. Ich bitte dich, sey ruhig.

Gonsalo. Gut, ich bin fertig; aber doch--

Sebastian. Will er reden.

Antonio. Was wetten wir, wer von beyden, er oder Adrian zuerst anfangen wird zu krähen?

Sebastian. Der alte Hahn.

William Shakespeare
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