Der Sturm

Page 27

Munter, mein Geist; in kurzem sollst du deine Freyheit haben.

Ariel (singt, indem er ihn ankleiden hilft.) Wo die Biene saugt, saug' ich; Im Schooß der Primul lagr' ich mich; Dort schlaf ich, wenn die Eule schreyt; Ich flieg', in steter Munterkeit, Fern von des Winters Ungemach Dem angenehmen Sommer nach; Wie frölich wird künftig mein Aufenthalt seyn Unter den Blüthen im düftenden Hayn!

Prospero. Gut, das ist mein artiger Ariel; ich werde dich vermissen, aber doch sollst du frey seyn. So, so, so; izt, unsichtbar wie du in deiner eignen Gestalt bist, zu des Königs Schiff; dort wirst du die Schiffleute im Raum schlaffend beysammen finden. Weke sie, und nöthige sie hieher; aber hurtig, ich bitte dich.

Ariel. Ich trinke die Luft vor mir, und bin wieder da, eh euch der Puls zweymal schlägt.

(Er geht ab.)

Gonsalo. Lauter Schreknisse, Verwirrung, Wunder und Erstaunen wohnen hier; möge uns irgend eine himmlische Macht wieder aus diesem fürchterlichen Lande führen!

Prospero. Siehe hier, o König, den ungerechter Weise gekränkten Herzog von Meiland, Prospero: Dich desto besser zu versichern, daß ein lebender Fürst izt mit dir spricht, umarme ich dich, und heisse dich und deine Gesellschaft von Herzen willkommen.

Alonso. Ob du Prospero bist, oder irgend ein bezaubertes Phantom, (wie ich kürzlich selbst war,) das meine Augen täuschet, weiß ich nicht; dein Puls schlägt, wie eines würklichen Menschen, und seit ich dich sehe, nimmt die Bangigkeit des Gemüths ab, worinn mich, wie ich fürchte, eine Beraubung der Vernunft sezte; wenn diese Dinge anders würklich sind, so muß die Geschichte davon höchst seltsam seyn--Ich gebe dir dein Herzogthum zurük, und bitte dich, mir zu verzeihen. Aber wie ist es möglich, daß Prospero leben und hier seyn soll?

Prospero (zu Gonsalo.) Zuerst, mein alter edler Freund, laß dich umarmen; du, dessen Redlichkeit so unschäzbar als ohne Grenzen ist.

Gonsalo. Ob das würklich ist, oder nicht, wollt' ich nicht beschwören.

Prospero. Ihr seyd noch so sehr von einigen Seltsamkeiten dieser Insel betroffen, daß ihr nicht glauben könnet, was gewiß ist. Willkommen, meine Freunde, alle willkommen! Aber ihr, mein feines Paar Herren, wenn ich Lust hätte, so sollte mir's nicht schwer fallen, euch den Unwillen seiner Majestät zu zu ziehen, und zu beweisen, daß ihr Verräther seyd; allein ich will izt keine Geschichten erzählen.

Sebastian. Der Teufel spricht aus ihm.

Prospero. Nein--Was euch betrift, höchst boshafter Herr, welchen (Bruder) zu nennen meinen Mund schon vergiften würde, ich vergebe dir deine ungeheursten Vergehungen alle zusammen; aber ich fordre mein Herzogthum von dir zurük, welches du, wenn du gleich wolltest, mir länger vorzuenthalten, nicht vermögend bist.

Alonso. Wenn du Prospero bist, so berichte uns, wie du erhalten worden, und auf welche Weise wir hier mit dir zusammen kommen, nachdem wir vor drey Stunden an diesem Ufer einen Schiffbruch erlidten haben, der mich, (o schmerzliches Angedenken!) meinen Sohn, meinen theuren Sohn Ferdinand gekostet hat.

Prospero. Ich bedaure es, Sire.

Alonso. Der Verlust ist unersezlich, und die Geduld selbst gesteht, daß sie ihn nicht heilen kan.

Prospero. Ich glaube vielmehr, ihr habt ihre Hülfe nicht gesucht; denn durch ihren milden und allesvermögenden Beystand, hab ich einen gleichen Verlust mit Gelassenheit ertragen gelernt.

Alonso. Ihr einen gleichen Verlust?

Prospero. Zum mindsten, der für mich eben so wichtig ist, und ihn erträglich zu machen, hab' ich weit schwächere Mittel als ihr zu euerm Trost ruffen könnt; denn ich habe meine Tochter verlohren.

Alonso. Eine Tochter? O Himmel, möchten sie beyde in Neapel leben, König und Königin daselbst zu seyn. Damit sie es seyn möchten, wie gern wünscht' ich selbst in dem nassen Bette versunken zu seyn, wo mein Sohn ligt. Wenn verlohrt ihr eure Tochter?

Prospero. In diesem lezten Sturm--Ich merke, daß diese Herren, über unsre unvermuthete Zusammenkunft so erstaunt sind, daß sie ihren Sinnen nicht trauen dürfen, und mit Mühe glauben, daß ihre Augen ihnen die Wahrheit zeigen, und ihre Worte natürlicher Athem seyen.

William Shakespeare
Classic Literature Library

All Pages of This Book