Der Sturm

Page 30

Ich wurde in dieser Vermuthung noch mehr bestärkt, wie ich auf diese Stelle kam.

Ein Spaß soll darinn ligen, das ist klar; aber wo er ligt, ist schwer zu sagen. Ich vermuthe, es war ein Wortspiel im Original, das sich nicht übersezen ließ; vielleicht hieß es, ich bin nicht (Stephano, sondern Staffilato,) indem dieses Wort im Italiänischen einen bedeutet, der wol zerkrazt und zerstochen ist, welches würklich der Fall war, worinn sich diese Bursche im 4ten Aufzug befanden.--In (Riccoboni's) Verzeichniß Italiänischer Schauspiele, befinden sich auch: (Il Negromante di L. Ariosto, prosa e verso), und (Il Negromante Palliato di Gio-Angelo Petrucci, prosa.) Ob aber der Sturm aus einem von diesen beyden entlehnt seyn mag, kan ich nicht sagen, da ich sie nicht gesehen habe. Warbürton. Der Übersetzer würde erfreut seyn, wenn er seinen Lesern über diesen Punct aus dem Wunder helfen könnte; da er aber hiezu keine Gelegenheit gehabt, so ist alles was er sagen kan, daß wenn auch Shakespear die Idee und die Anlage dieses Stüks aus einem Italiänischen genommen hätte, es schwerlich auf eine andre Art geschehen sey, als wie man vom Milton sagen kan, daß er das verlohrne Paradies aus einer Italiänischen Comödie von Erschaffung der Welt entlehnt habe.}

Prospero. Und doch wolltest du König über diese Insel seyn, Schurke.

Stephano. So würde ich ein siecher König gewesen seyn.

Alonso (auf Caliban deutend.) Das ist ein so seltsames Ding als ich je eines gesehen habe.

Prospero. Er ist so ungestalt in seinen Sitten als in seiner Bildung. Geh, Schurke, in meine Celle, nimm deine Cameraden mit dir, und räume alles hübsch auf, so lieb dir deine Begnadigung ist.

Caliban. Ja, das will ich; und ich will künftig gescheidter seyn, und mich um eure Gnade bemühen. Was für ein dreyfach gedoppelter Esel war ich, diesen besoffnen Kerl für einen Gott zu halten, und diesem dummköpfigten Narren Ehre zu erweisen?

Prospero. Geh deines Weges.

Alonso. Fort, und thut euern Trödel wieder hin, wo ihr ihn gefunden habt.

Prospero. Sire, ich lade Euer Majestät und euer Gefolg in meine arme Celle ein, um darinn diese einzige Nacht zuzubringen, wovon ich euch einen Theil mit Gesprächen vertreiben will, deren Inhalt euch, wie ich hoffe, keine lange Weile lassen wird; mit der Geschichte meines Lebens, und den besondern Umständen, die sich, seitdem ich in diese Insel kam, zugetragen haben. Morgen will ich euch alsdann auf euer Schiff bringen, und so nach Neapel, wo ich Hoffnung habe, die Vermählung dieser unsrer geliebten Kinder feyrlich begangen zu sehen, und dann nach Meiland zurük zu kehren, wo jeder dritter Gedanke mein Grab seyn soll.

Alonso. Mich verlangt mit Ungeduld die Geschichte euers Lebens zu hören, welche nicht anders als voll ausserordentlicher Sachen seyn kan.

Prospero. Ich will euch alles entdeken, und verspreche euch eine ruhige See, glükliche Winde, und so schnelle Seegel, daß wir eure Flotte bald eingeholt haben wollen--mein Ariel, das ist deine lezte Arbeit; dann kehr' auf immer frey in dein Element zurük, und lebe wohl-- Folget mir, wenn es euch gefällt.

(Alle gehen ab.)

Der Sturm, von William Shakespeare, (Übersetzt von Christoph Martin Wieland).

William Shakespeare
Classic Literature Library

All Pages of This Book