Die Irrungen

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Luciana. Wie bist du so aus dem Athem gekommen?

Dromio von Syracus. Weil ich stark geloffen bin.

Adriana. Wo ist dein Herr, Dromio?Ist er wohl?

Dromio von Syracus. Nein, er ist im Tartar-Limbo, der noch ärger als die Hölle selbst ist. Ein Teufel in einem immerwährenden Rok hat ihn; einer, dessen Herz mit Stahl zugeknöpft ist; ein böser Feind, eine unbarmherzige Furie, ein Wolf, nein, noch was ärgers, ein Kerl über und über in Büffelsleder; ein Rüken-Freund, ein Schulter-Klopfer, einer der die Zugänge der Strassen, die Schiff-Länden und enge Pässe besezt; einer der, vor Gericht, arme Seelen zur Hölle führt; mit einem Wort, Frau, ein Gerichtsdiener.

Adriana. Wie, Mann, was ist die Sache?

Dromio von Syracus. Das weiß ich nicht; aber das weiß ich, daß er im Arrest ist. Wollt ihr ihm kein Lösegeld schiken, Frau?Das Geld ist in seinem Pult.

Adriana. Geht, Schwester, holt es.

(Luciana geht ab.)

Das ist wunderbar, daß er Schulden haben soll, wovon ich nichts weiß! Sag mir, hat man ihn wegen einer Obligation in Verhaft genommen?

Dromio von Syracus. Wegen etwas weit stärkerm, wegen einer Kette; einer Kette; hört ihr sie nicht klingeln?

Adriana. Was, die Kette?

Dromio von Syracus. Nein, die Gloke; es ist Zeit, daß ich gehe; es war zwey, da ich ihn verließ, und nun schlägt die Glok, eins.

Adriana. Das hab ich nie gehört, daß die Stunden zurük gehen.

Dromio von Syracus. O ja, wenn eine Stunde einen Gerichtsdiener antrift, so lauft sie vor Schreken zurük. (Luciana kommt wieder.)

Adriana. Geh, Dromio; hier ist das Geld, trag es hin, und bring deinen Herren unmittelbar nach Hause.--Kommt, Schwester, ich weiß nimmer, wo ich hin denken soll --

(Sie gehen ab.)

Fünfte Scene. (Verwandelt sich in die Strasse.) (Antipholis von Syracus tritt auf.)

Antipholis. Es begegnet mir kein Mensch auf der Strasse, der mich nicht grüsse, als ob ich längst mit ihm bekannt wäre, und jedermann nennte mich bey meinem Namen. Einige bieten mir Geld an, andre laden mich ein, andre danken mir für Höflichkeiten die ich ihnen erwiesen haben soll; andre tragen mir Sachen zum Kauf an. Diesen Augenblik rief mir ein Schneider in seine Werkstatt, und zeigte mir einen seidnen Zeug den er für mich gekauft habe, und wozu er das Maaß von mir nahm. Es kan nicht anders seyn, es besteht hier alles in lauter Einbildungen, und es wohnen lauter lapländische Zauberer hier. (Dromio von Syracus tritt auf.)

Dromio von Syracus. Herr, hier ist das Geld, warum ihr mich geschikt habt; wie, seyd ihr von dem neugekleideten Ebenbild des alten Adams los gekommen?

Antipholis von Syracus. Was für Geld ist das?Und was meinst du für einen Adam?

Dromio von Syracus. Nicht den Adam der das Paradies hütete, sondern den Adam, der das Gefängniß hütet; den, der in des Kalbs Fell geht, das für den verlohrnen Sohn geschlachtet wurde; der, wie ein böser Engel hinter euch hergeschlichen kam, und euch eure Freyheit vergessen ließ.

Antipholis von Syracus. Ich verstehe dich nicht.

Dromio von Syracus. Nicht?die Sache ist doch ganz deutlich; der Kerl, der dahergieng, wie eine Baßgeige in einem ledernen Ueberzug--* mit einem Wort, den Gerichtsdiener.

{ed.-* Hier folgen im Original noch etliche sinnreich seyn-sollende Umschreibungen, die aber in lauter Wortspielen bestehen, so sich nicht deutsch machen lassen.}

Antipholis von Syracus. Laß einmal deine unzeitige Schäkereyen, und sag' mir, hast du ein Schiff gefunden, das diese Nacht abgeht?

Dromio von Syracus. Wie, Herr?ich brachte euch ja Nachricht, daß die Barke Expedition diese Nacht auslauffe, aber ihr wurdet von dem Gerichtsdiener aufgehalten, euch an Bord zu begeben; hier sind die Engel, nach denen ihr mich schiktet, um euch zu befreyen.

Antipholis von Syracus. Der Bursche weiß nicht recht wo ihm der Kopf steht; und so gehts mir auch; wir irren hier unter lauter Blendwerken herum; irgend ein guter Geist bring uns unbeschädigt wieder hinweg!

Sechste Scene. (Die Courtisane zu den Vorigen.)

Courtisane. Wir treffen einander recht gelegen an, Herr Antipholis.

William Shakespeare
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