Vielleicht, um sie noch anmutiger zu machen, werde ich sie nach dem Tode singen.

(Ab.)

Zweite Szene

Athen Eine Stube in Squenzens Hause (Squenz, Flaut, Schnauz und Schlucker kommen)

Squenz. Habt ihr nach Zettels Hause geschickt? Ist er noch nicht nach Haus gekommen?

Schlucker. Man hört nichts von ihm. Ohne Zweifel ist er transportiert.

Flaut. Wenn er nicht kommt, so ist das Stück zum Henker. Es geht nicht vor sich, nicht wahr?

Squenz. Es ist nicht möglich. Ihr habt keinen Mann in ganz Athen außer ihm, der kapabel ist, den Pyramus herauszubringen.

Flaut. Nein; er hat schlechterdings den besten Witz von allen Handwerksleuten in Athen.

Squenz. Ja, der Tausend! und die beste Person dazu. Und was eine süße Stimme betrifft, da ist er ein rechtes Phänomen.

Flaut. Ein Phönix müßt Ihr sagen. Ein Phänomen (Gott behüte uns) ist ein garstiges Ding.

(Schnock kommt.)

Schnock. Meister, der Herzog kommt eben vom Tempel, und noch drei oder vier andere Herren und Damen mehr sind verheiratet. Wenn unser Spiel vor sich gegangen wäre, so wären wir alle gemachte Leute gewesen.

Flaut. O lieber Sappermentsjunge, Zettel! So hat er nun sechs Batzen des Tags für Lebenszeit verloren. Er konnte sechs Batzen des Tags nicht entgehn--und wenn ihm der Herzog nicht sechs Batzen des Tags für den Pyramus gegeben hätte, will ich mich hängen lassen! Er hätt es verdient.--Sechs Batzen des Tags für den Pyramus, oder gar nichts! (Zettel kommt.)

Zettel. Wo sind die Buben? Wo sind die Herzensjungen?

Squenz. Zettel!--O allertrefflichster Tag! gebenedeite Stunde!

Zettel. Meister, ich muß Wunderdinge reden, aber fragt mich nicht was; denn wenn ich's euch sage, bin ich kein ehrlicher Athener. Ich will euch alles sagen, just wie es sich zutrug.

Squenz. Laß uns hören, lieber Zettel.

Zettel. Nicht eine Silbe. Nur soviel will ich euch sagen: der Herzog haben zu Mittage gespeist. Kriegt eure Gerätschaften herbei! Gute Schnüre an eure Bärte! Neue Bänder an eure Schuh! Kommt gleich beim Palaste zusammen; laßt jeden seine Rolle überlesen; denn das Kurze und das Lange von der Sache ist: unser Spiel geht vor sich. Auf allen Fall laßt Thisbe reine Wäsche anziehn, und laßt dem, der den Löwen macht, seine Nägel nicht verschneiden; denn sie sollen heraushängen als des Löwen Klauen. Und, allerliebste Akteure! eßt keine Zwiebeln, keinen Knoblauch; denn wir sollen süßen Odem von uns geben, und ich zweifle nicht, sie werden sagen: Es ist eine sehr süße Komödie. Keine Worte weiter! Fort! marsch! fort!

(Alle ab.)

Fünfter Aufzug

Erste Szene

Ein Zimmer im Palast des Theseus (Theseus, Hippolyta, Philostrat, Herren vom Hofe und Gefolge treten auf)

Hippolyta. Was diese Liebenden erzählen, mein Gemahl, Ist wundervoll.

Theseus. Mehr wundervoll wie wahr. Ich glaubte nie an diese Feenpossen Und Fabelein. Verliebte und Verrückte Sind beide von so brausendem Gehirn, So bildungsreicher Phantasie, die wahrnimmt, Was nie die kühlere Vernunft begreift. Wahnwitzige, Poeten und Verliebte Bestehn aus Einbildung. Der eine sieht Mehr Teufel, als die weite Hölle faßt: Der Tolle nämlich; der Verliebte sieht, Nicht minder irr, die Schönheit Helenas Auf einer äthiopisch braunen Stirn. Des Dichters Aug, in schönem Wahnsinn rollend, Blitzt auf zum Himmel, blitzt zur Erd hinab, Und wie die schwangre Phantasie Gebilde Von unbekannten Dingen ausgebiert, Gestaltet sie des Dichters Kiel, benennt Das luftge Nichts und gibt ihm festen Wohnsitz. So gaukelt die gewaltge Einbildung; Empfindet sie nur irgend eine Freude, Sie ahnet einen Bringer dieser Freude; Und in der Nacht, wenn uns ein Graun befällt, Wie leicht, daß man den Busch für einen Bären hält!

Hippolyta. Doch diese ganze Nachtbegebenheit Und ihrer aller Sinn, zugleich verwandelt, Bezeugen mehr als Spiel der Einbildung: Es wird daraus ein Ganzes voll Bestand, Doch seltsam immer noch und wundervoll.

(Lysander, Demetrius, Hermia und Helena treten auf.)

Theseus. Hier kommen die Verliebten, froh entzückt. Glück, Freunde, Glück! Und heitre Liebestage Nach Herzenswunsch!

Lysander. Beglückter noch, mein Fürst, Sei Euer Aus- und Eingang, Tisch und Bett!

Theseus. Nun kommt! Was haben wir für Spiel' und Tänze? Wie bringen wir nach Tisch bis Schlafengehn Den langen Zeitraum von drei Stunden hin? Wo ist der Meister unsrer Lustbarkeiten? Was gibt's für Kurzweil? Ist kein Schauspiel da, Um einer langen Stunde Qual zu lindern?-- Ruft mir den Philostrat.

William Shakespeare
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