Polonius. So behüt euch Gott; lebt wohl.

Reinoldo. Mein Gnädiger Herr--

Polonius. Ihr müßt trachten, daß ihr durch euch selbst hinter seine Neigungen kommt.

Reinoldo. Das will ich, Gnädiger Herr.

Polonius. Und macht, daß er seine Musik fleissig exerciert.

Reinoldo. Wohl, Gnädiger Herr.

(Reinold geht ab.)

Zweyte Scene. (Ophelia tritt auf.)

Polonius. Lebt wohl--Ha, was giebts, Ophelia? Was wollt ihr?

Ophelia. Ach, Gnädiger Herr Vater, ich bin so erschrekt worden!

Polonius. Womit, womit, ums Himmel willen?

Ophelia. Gnädiger Herr Vater, weil ich in meinem Zimmer saß und nähte, da kam der Prinz Hamlet, sein Wammes von oben an bis unten ungeknöpft, keinen Hut auf dem Kopf, seine Strümpfe nicht aufgezogen, ohne Kniebänder, bis auf die Zehen herunter gerollt, so bleich wie sein Hemde, zitternd, daß seine Kniee an einander anschlugen, und mit einem Blik von so erbärmlicher Bedeutung, als ob er aus der Hölle herausgelassen worden wäre, damit er von ihren Schreknissen reden sollte; in dieser Gestalt stellte er sich vor mich hin.

Polonius. Er wird doch nicht aus Liebe zu dir toll worden seyn?

Ophelia. Ich weiß es nicht, Gnädiger Herr Vater, aber, auf meine Ehre, ich besorg es.

Polonius. Was sagte er dann?

Ophelia. Er nahm mich bey der Hand, und hielt mich fest; hernach trat er um die ganze Länge seines Arms zurük, und die andre Hand hielt er so über seine Stirne, und dann sah er mir scharf ins Gesicht, als ob er es abzeichnen wollte. So stuhnd er eine gute Weile; zulezt schüttelte er mir den Arm ein wenig, wankte dreymal so mit dem Kopf auf und nieder, und holte dann einen so tiefen und erbärmlichen Seufzer, daß ich nicht anders dachte, als er würde den Geist aufgeben. Drauf ließ er mich gehen, drehte seinen Kopf über die Schulter, und schien seinen Rükweg ohne Augen zu finden; denn, er kam ohne ihre Hülfe zur Thür hinaus, und heftete sie zulezt noch mit einem traurigen Blik auf mich.

Polonius. Komm mit mir, ich will den König aufsuchen. Das ist nichts anders, als die Wirkung einer übermässigen und ausser sich selbst gebrachten Liebe; denn die Gewalt der Liebe ist so heftig, daß sie den Menschen zu so verzweifelten Handlungen treiben kan, als irgend eine andre Leidenschaft, womit unsre Natur behaftet ist. Es ist mir Leid dafür; habt ihr ihn etwa kürzlich hart angelassen?

Ophelia. Nein, Gnädiger Herr Vater; alles was ich that, war bloß, daß ich nach euerm Befehl keine Briefe von ihm annahm, und ihn nicht vor mich kommen ließ.

Polonius. Und darüber ist er närrisch worden. Es ist mir leid, daß ich die Natur seiner Zuneigung zu dir nicht besser beobachtet habe. Ich besorgte, er kurzweile nur so, und suche dich zu verführen; aber der Henker hole meine voreilige Besorgniß; es scheint es sey eine Eigenschaft des Alters, die Vorsichtigkeit zu weit zu treiben, so wie bey jungen Leuten nichts gemeiners ist als gar keine zu haben. Kommt, wir wollen zum Könige gehen. Er muß Nachricht hievon bekommen; die Entdekung dieses Geheimnisses kan uns lange nicht so viel Verdruß zuziehen, als wir davon haben könnten, wenn wir länger schweigen würden.

(Sie gehen ab.)

Dritte Scene. (Verwandelt sich in den Palast.) (Der König, die Königin, Rosenkranz, Güldenstern, Edle und andre vom Königlichen Gefolge.)

König. Willkommen, Rosenkranz und Güldenstern. Ausserdem, daß wir ein besonderes Verlangen getragen haben euch zu sehen, hat uns noch die Nothwendigkeit, Gebrauch von euch zu machen, zu dieser eilfertigen Beschikung vermocht. Ihr habet vermuthlich etwas von Hamlets Verwandlung gehört; so muß ich es nennen, da er weder dem Äusserlichen noch Innerlichen, noch sich selbst mehr ähnlich ist. Was das seyn mag, was, ausser seines Vaters Tod, ihn zu dieser Entfremdung von sich selbst gebracht hat, kan ich mir nicht träumen lassen. Ich bitte euch also beyde, da ihr von eurer ersten Jugend an mit ihm auferzogen worden, und die Gleichheit des Alters euch zu seiner Vertraulichkeit mehr Recht als andern giebt, so haltet euch nur eine kleine Zeitlang an unserm Hofe auf, um ihm Gesellschaft zu leisten, ihn in allerley Lustbarkeiten zu ziehen, und zu versuchen, ob ihr nicht Gelegenheit findet von ihm heraus zu loken, was die uns unbekannte Ursache seiner ungewöhnlichen Schwermuth ist, und ob sie so beschaffen ist, daß wir derselben abzuhelfen im Stande sind.

William Shakespeare
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