Schauspieler. Wie sie, in Verzweiflung, mit nakten Füssen auf- und nieder rannte, und weinte, daß die Flammen von ihren Thränen hätten verlöschen mögen; ein besudelter Lumpe auf diesem Haupt, wo kürzlich noch das Diadem funkelte; und statt des Königlichen Purpurs ein Bettlaken, das erste was sie im betäubenden Schreken ergriff, um ihre schlappen, von häufigem Gebähren ganz ausgemergelte Lenden hergeworffen; wer das gesehen hätte, würde mit in Gift getauchter Zunge Verwünschungen gegen das Glük ausgestossen haben--Doch, wenn die Götter selbst sie gesehen hätten, in dem Augenblik sie gesehen hätten, da Pyrrhus, mit unmenschlichem Muthwillen, die Glieder ihres Gemahls vor ihren Augen in kleine Stüke zerhakte, das ausberstende Geschrey, das sie da machte, würde sie, (es wäre dann, daß sie von sterblichen Dingen gar nicht gerührt werden,) würde die brennenden Augen des Himmels in Thränen aufgelöst, und die Götter in Leidenschaft gesezt haben.

Polonius. Seht nur, ob er nicht seine Farbe verändert, und ob er nicht Thränen in den Augen hat? Ich bitte dich, laß es genug seyn.

Hamlet. Gut, wir wollen den Rest dieser Rede auf ein andermal sparen--Mein guter Herr,

(zu Polonius)

wollt ihr dafür sorgen, daß diese Schauspieler wohl besorgt werden? Hört ihr's, laßt ihnen nichts abgehen; es sind Leute, die man in Acht nehmen muß; sie sind lebendige Chroniken ihrer Zeit; es wäre euch besser, eine schlechte Grabschrift nach euerm Tod zu haben, als ihre üble Nachrede, weil ihr lebt.

Polonius. Gnädiger Herr, ich will ihnen begegnen, wie sie es verdienen.

Hamlet. Behüt uns Gott, Mann, weit besser! Wenn ihr einem jeden begegnen wolltet, wie er's verdient, wer würde dem Staup-Besen entgehen? Begegnet ihnen, wie es eurer eignen Ehre und Würde gemäß ist. Je weniger sie verdienen, je mehr Verdienst ist in eurer Gütigkeit. Nehmt sie mit euch hinein.

Polonius. Kommt, ihr Herren.

(Polonius geht ab.)

Hamlet. Folget ihm, meine guten Freunde: Morgen wollen wir ein Stük hören-- Hörst du mich, alter Freund, kanst du die Ermordung des Gonzago aufführen?

Schauspieler. Ja, Gnädigster Herr.

Hamlet. So wollen wir's Morgen auf die Nacht haben. Ihr könnt doch, im Nothfall eine Rede von einem Duzend oder sechszehn Zeilen studieren, die ich noch aufsezen, und hinein bringen möchte? Könnt ihr nicht?

Schauspieler. Ja wohl, Gnädigster Herr.

Hamlet. Das ist mir lieb. Geht diesem Herrn nach, aber nehmt euch in Acht, daß ihr ihn nicht zum besten habt.

(Zu Rosenkranz und Güldenstern.)

Meine guten Freunde, ich verlasse euch bis diese Nacht; ihr seyd willkommen in Elsinoor.

Rosenkranz. Wir empfehlen uns zu Gnaden--

(Sie gehen ab.)

Achte Scene.

Hamlet (allein). Ja, so behüt euch Gott: endlich bin ich allein--O, was für ein Schurke, für ein nichtswürdiger Sclave bin ich! Ist es nicht was ungeheures, daß dieser Comödiant hier, in einer blossen Fabel, im blossen Traum einer Leidenschaft, soviel Gewalt über seine Seele haben soll, daß durch ihre Würkung sein ganzes Gesicht sich entfärbt, Thränen seine Augen füllen, seine Stimme bricht, jeder Gesichtszug, jedes Gliedmaß, jede Muskel die Heftigkeit der Leidenschaft, die doch bloß in seinem Hirn ist, mit solcher Wahrheit ausdrükt--und das alles um nichts? Um Hecuba--Was ist Hecuba für ihn, oder er für Hecuba, daß er um sie weinen soll? Was würd er thun, wenn er die Ursache zur Leidenschaft hätte, die ich habe? Er würde den Schauplaz in Thränen ersäuffen, und mit entsezlichen Reden jedes Ohr durchbohren; die Schuldigen würden von Sinnen kommen, und die Schuldlosen selbst wie Verbrecher erblassen-- und ich, träger schwermüthiger Tropf, härme mich wie ein milzsüchtiger Grillenfänger ab, fühle die Grösse meiner Sache nicht, und kan nichts sagen--nein, nichts, nichts für einen König, der auf eine so verruchte Art seiner Crone und seines Lebens beraubt worden ist!--Bin ich vielleicht eine Memme? Wer darf mich einen Schurken nennen, mir ein Loch in den Kopf schlagen, mir den Bart ausrauffen, und ins Gesicht werfen? Wer zwikt mich bey der Nase, oder wirft mir eine Lüge in den Hals, so tief bis in die Lunge hinab? Wer thut mir das? Und doch sollt' ich es leiden--Denn es kan nicht anders seyn, ich bin ein Daubenherziger Mensch, der keine Galle hat, die ihm seine Unterdrükung bitter mache; wenn es nicht so wäre, hätte ich nicht bereits alle Geyer der Gegend mit dem vorgeworfnen Aas dieses Sclaven gemästet? Der blutige kupplerische Bube! Der gewissenlose, verräthrische, unzüchtige, unbarmherzige Bösewicht!--Wie, was für eine niederträchtige Geduld hält mich zurük? Ich, der Sohn eines theuren ermordeten Vaters, von Himmel und Hölle zur Rache aufgefodert, ich soll wie eine feige Meze, mein Herz durch Worte erleichtern, wie eine wahre Gassen-Hure in Schimpf- Worte und Flüche ausbrechen--und es ist Hirn in diesem Schedel! Fy, der Niederträchtigkeit! Es muß anders werden!--Ich habe gehört, daß Verbrecher unter einem Schauspiel durch die blosse Kunst des Poeten und des Schauspielers so in die Seele getroffen worden, daß sie auf der Stelle ihre Übelthaten bekennt haben.

William Shakespeare
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