Aber desto schlimmer, daß die vornehmen Leute in der Welt mehr Recht haben sollen, sich zu hängen oder zu ersäuffen als ihre Neben-Christen! Komm, meine Spate, her! es sind doch keine ältere Edelleute als Gärtner, und Todten-Gräber; sie haben ihre Profession von Adam her.

2. Todtengräber. War der ein Edelmann?

1. Todtengräber. Der erste, der jemals armirt gewesen ist.

2. Todtengräber. Wie so, das?

1. Todtengräber. Wie, bist du denn ein Heid? Verstehst du die Schrift nicht? Die Schrift sagt, Adam habe gegraben: Hätt' er graben können, wenn er keine Arme gehabt hätte? Ich will dir noch eine Frage vorlegen; wenn du mir die rechte Antwort darauf giebst, so bekenne--

2. Todtengräber. Was ist's dann?

1. Todtengräber. Wer ist der, der stärker baut als Maurer und Zimmermann?

2. Todtengräber. Das ist der Galgen-Macher; denn dessen sein Gebäu überlebt tausend Innhaber.

1. Todtengräber. Dein Einfall gefällt mir nicht übel, in der That; der Galgen schikt sich wol: Aber wie schikt er sich wol? Er schikt sich wol für diejenigen die Übels thun; nun thust du übel zu sagen, der Galgen sey stärker gebaut als die Kirche; (ergel), mag sich der Galgen wol für dich schiken. Zur Sache, komm.

2. Todtengräber. Wer stärker baue als Maurer und Zimmermann?

1. Todtengräber. Ja, wenn du mir das sagen kanst, so will ich dich gelten lassen.

2. Todtengräber. Beym Element, nun kan ich dir's sagen.

1. Todtengräber. Nun, so sage--

2. Todtengräber. Nein, Sakerlot, ich kan nicht. (Hamlet und Horatio treten in einiger Entfernung von den Todtengräbern auf.)

1. Todtengräber. Gieb's lieber auf, dein Esel wird doch nicht schneller gehen, du magst ihn schlagen wie du willt; und wenn dich einer einmal wieder fragt, so sage, der Todtengräber. Denn die Häuser, die er macht, dauren bis zum jüngsten Tag: Geh einmal zum rothen Roß, und hol mir ein Glas Brandtwein.

(Der 2te Todtengräber geht ab.)

(Der erste Todtengräber gräbt und singt ein Liedchen dazu.)

Hamlet. Hat dieser Bursche kein Gefühl von seinem Geschäfte, daß er zum Grabmachen singen kan?

Horatio. Die Gewohnheit hat ihn so verhärtet, daß er bey einer solchen Arbeit gutes Muths seyn kan.

Hamlet. (Indem der Todtengräber immer singend einen Schedel aufgräbt.)

Dieser Schedel hatte einst eine Zunge, und konnte singen--wie ihn der Schurke in den Boden hinein schlägt, als ob es Cains des ersten Mörders Kinnbaken wäre! und doch war der Schedel mit dem dieser Esel izt so übermüthig zu Werke geht, vielleicht der Hirnkasten eines Staatsmanns, eines von diesen Herren, die unserm Herrn Gott selbst einen Nebel vormachen möchten; nicht so?

Horatio. Es ist möglich, Gnädiger Herr--

Hamlet. Oder eines Höflings, der sagen konnte: Guten Morgen, mein liebster Lord; wie befindet sich Euer Herrlichkeit? Es kan Milord der und der gewesen seyn, der Milord dessen seinem Pferd eine Lobrede halten konnte, wenn er's ihm gerne abgebettelt hätte; nicht so?

Horatio. Ja, Gnädiger Herr.

Hamlet. Nicht anders; und nun ist Milady Wurm von allen ihren Anbetern verlassen, und muß sich von eines Todtengräbers Spate aus dem Boden herausschlagen lassen. Hier ist eine hübsche Revolution, wenn wir den Verstand hätten sie zu sehen--Hier ist ein andrer: Kan das nicht der Schedel eines Rechtsgelehrten gewesen seyn? Wo sind nun seine Quidditäten und Qualitäten? Seine (Casus?) Seine Tituls? Seine Ränke? Warum leidet er, daß ihn dieser grobe Geselle mit seiner kothigen Schaufel aus seiner Retirade herausklopfen darf, ohne eine Action gegen ihn anzustellen?--* Ich muß mit diesem Burschen reden. Wessen Grab ist das, Bursche?

{ed.-* Hamlet sezt im Original diese kühlen Betrachtungen noch länger fort, indem er sich vorstellt, daß es der Schädel eines reichen Landsässen gewesen sey; man hat es aber unmöglich gefunden, diese Stelle, deren gröster Nachdruk in etlichen Wortspielen besteht, zu übersezen; und man würde diese ganze Scene eben sogern ausgelassen haben, wenn man dem Leser nicht eine Idee von der berüchtigten Todtengräber-Scene hätte geben wollen.}

Todtengräber. Meines, Herr--

(er fängt wieder an zu singen.)

Hamlet. Ich denk' es ist dein, denn du lügst darinn.

William Shakespeare
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