Hamlet. Und so gerochen? Fy!

(Er riecht an dem Schedel.)

Horatio. Ja, Gnädiger Herr.

Hamlet. Zu was für einer unedeln Bestimmung können wir endlich herabsinken, Horatio! Können wir nicht in unsrer Einbildung Alexanders edlem Staube folgen, bis wir ihn an einem Ort finden, wo er ein Spund- Loch stoppt?

Horatio. Eine solche Betrachtung wäre gar zu spizfündig.

Hamlet. Nein, gar nicht, im geringsten nicht: Die Betrachtung ist ganz natürlich: Alexander starb, Alexander wurde begraben, Alexander wurde zu Staub; der Staub ist Erde; aus der Erde machen wir Laim; und konnte mit diesem Laim, worein er verwandelt wurde, nicht eine Bier-Tonne gestoppt werden? Und so kan der Welt-Bezwinger Cäsar eine Spalte in einer Mauer gegen den Wind gestoppt haben. Aber sachte! Sachte eine Weile--da kommt der König--

Zweyte Scene. (Der König, die Königin, Laertes, und ein Sarg mit einem Trauer- Gefolge von Hofleuten, Priestern, u.s.w.)

Hamlet. Die Königin--ein Gefolge von Hofleuten--Was ist das, was sie begleiten? und warum mit so wenig Ceremonien? Das zeigt, daß die Leiche, so sie begleiten von jemand ist, der gewaltthätige Hand an sich selbst gelegt hat--Es muß eine Person von Stande gewesen seyn-- wir wollen uns ein wenig entfernt halten und acht geben.

Laertes. Die übrigen Ceremonien?

Hamlet. Das ist Laertes, ein sehr edler junger Mann: gieb acht--

Laertes. Die übrigen Ceremonien?

Priester. Ihre Obsequien sind so weit ausgedehnt worden, als wir ermächtigst sind; ihr Tod war zweifelhaft; und hätte der Königliche Befehl die Ordnung nicht übermocht, so sollte sie in einem ungeweihten Boden bis zum Schall der lezten Trompete ihr Lager gehabt haben; statt mildherziger Fürbitten sollten Scherben, und Kieselsteine auf sie geworfen worden seyn; nun wird sie mit jungfräulichen Ehrenzeichen, unter Gesang und Gloken-Geläut bestattet.

Laertes. Und ist das alles was gethan werden soll?

Priester. Es ist alles was gethan werden kan; es würde Entheiligung seyn, ihr ein (requiem) zu singen und ihr die lezte Ehre die nur Seelen die im Frieden abgeschieden sind, gebührt, zu erstatten.

Laertes. Legt sie in die Erde; und aus ihrem schönen und unbeflekten Fleisch mögen Violen hervorkeimen! Ich sage dir, hartherziger Priester, meine Schwester wird ein Engel des himmlischen Thrones seyn, wenn du heulend im Abgrund liegst.

Hamlet. Wie? die schöne Ophelia?

Königin. Das lezte lebe wohl, angenehme Schöne! Ich hoffte, du solltest meines Hamlets Weib werden; ich dachte einst dein Braut-Bette zu deken, holdes Mädchen, nicht dein Grab mit Blumen zu bestreuen.

Laertes. O dreyfaches Weh falle zehnfältig dreymal über das verfluchte Haupt, dessen gottlose That dich deiner schönen Vernunft beraubte. Haltet noch ein, bis ich sie noch einmal in meine Arme geschlossen habe.

(Er springt in das Grab.)

Nun werft euern Staub über den Lebenden und Todten, bis ihr aus dieser Ebne ein Gebürge gemacht habt, das den alten Pelion und den Himmelberührenden Olimpus übergipfle.

Hamlet, (der sich zu erkennen giebt.) Wer ist der, dessen Schmerz sich so emphatisch ausdrukt? Dessen Trauer-Töne die irrenden Sterne beschwören und sie zwingen, von Erstaunen gefesselt, stille zu stehn und zu horchen? Der bin ich, Hamlet, der Dähne.

(Er springt in das Grab.)

Laertes. Der Teufel hole deine Seele!

(Er ringt mit ihm.)

Hamlet. Du betest nicht schön. Ich bitte dich, deine Finger von meiner Gurgel weg!--Wenn ich gleich nicht splenetisch und jähzornig bin, so hab ich doch etwas gefährliches in mir, wovor du dich hüten magst, wenn du klug bist. Deine Hand zurük.

König. Reißt sie von einander--

Königin. Hamlet, Hamlet--

Horatio. Mein gnädigster Prinz, halltet euch zurük--

(Die Umstehenden machen sie von einander loß.)

Hamlet. Was, ich will über diese Materie mit ihm fechten, bis meine Auglider nicht länger niken können.

Königin. O mein Sohn! was für eine Materie?

Hamlet. Ich liebte Ophelien; vierzigtausend Brüder könnten mit aller ihrer Liebe zusammen genommen die Summe der meinigen nicht aufbringen. Was willt du für sie thun?

König. O er ist rasend, Laertes--

Königin. Um Gottes willen, habt Geduld mit ihm.

William Shakespeare
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