Julius Cäsar

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Decius. Laßt einen Grund mich wissen, großer Cäsar, Daß man mich nicht verlacht, wenn ich es sage.

Cäsar. Der Grund ist nur mein Will'; ich will nicht kommen, Das gnügt zu des Senats Befriedigung. Doch um Euch insbesondre gnug zu tun, Weil ich Euch liebe, will ich's Euch eröffnen: Calpurnia hier, mein Weib, hält mich zu Haus. Sie träumte diese Nacht, sie säh mein Bildnis, Das wie ein Springbrunn klares Blut vergoß Aus hundert Röhren; rüstge Römer kamen Und tauchten lächelnd ihre Hände drein. Dies legt sie aus als Warnungen und Zeichen Und Unglück, das uns droht, und hat mich kniend Gebeten, heute doch nicht auszugehn.

Decius. Ihr habt den Traum ganz irrig ausgelegt; Es war ein schönes, glückliches Gesicht. Eur Bildnis, Blut aus vielen Röhren spritzend, Worein so viele Römer lächelnd tauchten, Bedeutet, saugen werd aus Euch das große Rom Belebend Blut; und große Männer werden Nach Heiligtümern und nach Ehrenpfändern Sich drängen. Das bedeutet dieser Traum.

Cäsar. Auf diese Art habt Ihr ihn wohl erklärt.

Decius. Ja, wenn Ihr erst gehört, was ich Euch melde. Wißt denn: an diesem Tag will der Senat Dem großen Cäsar eine Krone geben. Wenn Ihr nun sagen laßt, Ihr wollt nicht kommen, So kann es sie gereun. Auch ließ' es leicht Zum Spott sich wenden; jemand spräche wohl: "Verschiebt die Sitzung bis auf andre Zeit, Wenn Cäsars Gattin beßre Träume hat." Wenn Cäsar sich versteckt, wird man nicht flüstern: "Seht! Cäsar fürchtet sich?" Verzeiht mir, Cäsar; meine Herzensliebe Heißt dieses mich zu Eurem Vorteil sagen, Und Schicklichkeit steht meiner Liebe nach.

Cäsar. Wie töricht scheint nun Eure Angst, Calpurnia! Ich schäme mich, daß ich ihr nachgegeben. Reicht mein Gewand mir her, denn ich will gehn. Publius, Brutus, Ligarius, Metellus, Casca, Trebonius und Cinna treten auf. Da kommt auch Publius, um mich zu holen.

Publius. Guten Morgen, Cäsar!

Cäsar. Publius, willkommen!-- Wie, Brutus? seid Ihr auch so früh schon auf?-- Guten Morgen, Casca!--Cajus Ligarius, So sehr war Cäsar niemals Euer Feind Als dieses Fieber, das Euch abgezehrt.-- Was ist die Uhr?

Brutus. Es hat schon acht geschlagen.

Cäsar. Habt Dank für Eure Müh und Höflichkeit. Antonius tritt auf. Seht! Mark Anton, der lange schwärmt des Nachts, Ist doch schon auf.--Antonius, seid gegrüßt!

Antonius. Auch Ihr, erlauchter Cäsar!

Cäsar. Befehlt, daß man im Hause fertig sei; Es ist nicht recht, so auf sich warten lassen. Ei, Cinna!--Ei, Metellus!--Wie, Trebonius? Ich hab mit Euch ein Stündchen zu verplaudern; Gedenkt daran, daß Ihr mich heut besucht, Und bleibt mir nah, damit ich Euer denke.

Trebonius. Das will ich, Cäsar--(beiseite) will so nah Euch sein, Daß Eure besten Freunde wünschen sollen, Ich wär entfernt gewesen.

Cäsar. Lieben Freunde, Kommt mit herein und trinkt ein wenig Weins, Dann gehen wir gleich Freunden miteinander.

Brutus (beiseite). Daß gleich nicht stets dasselbe ist, o Cäsar! Das Herz des Brutus blutet, es zu denken.

(Alle ab.)

Dritte Szene Eine Straße nahe beim Kapitol

Artemidorus tritt auf und liest einen Zettel

Artemidorus. "Cäsar, hüte dich vor Brutus; sei wachsam gegen Cassius; halte dich weit vom Casca; habe ein Auge auf Cinna; mißtraue dem Trebonius; beobachte den Metellus Cimber; Decius Brutus liebt dich nicht; beleidigt hast du den Cajus Ligarius. Nur ein Sinn lebt in allen diesen Männern, und er ist gegen Cäsar gerichtet. Wo du nicht unsterblich bist, schau um dich. Sorglosigkeit gibt der Verschwörung Raum. Mögen dich die großen Götter schützen! Der Deinige Artemidorus."

Hier will ich stehn, bis er vorübergeht, Und will ihm dies als Bittschrift überreichen. Mein Herz bejammert, daß die Tugend nicht Frei von dem Zahn des Neides leben kann. O Cäsar, lies! so bist du nicht verloren; Sonst ist das Schicksal mit Verrat verschworen. (Ab.)

Vierte Szene Ein andrer Teil derselben Straße vor dem Hause des Brutus

Portia und Lucius kommen

Portia. Ich bitt dich, Knabe, lauf in den Senat. Halt dich mit keiner Antwort auf und geh! Was wartest du?

Lucius. Zu hören, was ich soll.

William Shakespeare
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