Julius Cäsar

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Erster Bürger. O kläglich Schauspiel!

Zweiter Bürger. O edler Cäsar!

Dritter Bürger. O jammervoller Tag!

Vierter Bürger. O Buben und Verräter!

Erster Bürger. O blutger Anblick!

Zweiter Bürger. Wir wollen Rache! Rache! Auf und sucht! Sengt! brennt! schlagt! mordet! laßt nicht einen leben!

Antonius. Seid ruhig, meine Bürger!

Erster Bürger. Still da! Hört den edlen Antonius!

Zweiter Bürger. Wir wollen ihn hören, wir wollen ihm folgen, wir wollen für ihn sterben!

Antonius. Ihr guten, lieben Freund', ich muß euch nicht Hinreißen zu des Aufruhrs wildem Sturm. Die diese Tat getan, sind ehrenwert. Was für Beschwerden sie persönlich führen, Warum sie's taten, ach! das weiß ich nicht; Doch sind sie weis und ehrenwert, und werden Euch sicherlich mit Gründen Rede stehn. Nicht euer Herz zu stehlen, komm ich, Freunde; Ich bin kein Redner, wie es Brutus ist, Nur, wie ihr alle wißt, ein schlichter Mann Dem Freund ergeben, und das wußten die Gar wohl, die mir gestattet, hier zu reden. Ich habe weder Witz noch Wort' und Würde, Noch Kunst des Vortrags noch die Macht der Rede, Der Menschen Blut zu reizen; nein, ich spreche Nur gradezu und sag euch, was ihr wißt. Ich zeig euch des geliebten Cäsars Wunden, Die armen stummen Munde, heiße die Statt meiner reden. Aber wär ich Brutus Und Brutus Mark Anton, dann gäb es einen, Der eure Geister schürt' und jeder Wunde Des Cäsars eine Zunge lieh', die selbst Die Steine Roms zum Aufstand würd empören.

Dritter Bürger. Empörung!

Erster Bürger. Steckt des Brutus Haus in Brand!

Dritter Bürger. Hinweg denn! kommt, sucht die Verschwornen auf!

Antonius. Noch hört mich, meine Bürger, hört mich an!

Bürger. Still da! Hört Mark Anton! den edlen Mark Anton!

Antonius. Nun, Freunde, wißt ihr selbst auch, was ihr tut? Wodurch verdiente Cäsar eure Liebe? Ach nein! ihr wißt nicht.--Hört es denn! Vergessen Habt ihr das Testament, wovon ich sprach.

Bürger. Wohl wahr! Das Testament! Bleibt, hört das Testament!

Antonius. Hier ist das Testament mit Cäsars Siegel; Darin vermacht er jedem Bürger Roms, Auf jeden Kopf euch, fünfundsiebzig Drachmen.

Zweiter Bürger. O edler Cäsar!--Kommt, rächt seinen Tod!

Dritter Bürger. O königlicher Cäsar.

Antonius. Hört mich mit Geduld!

Bürger. Still da!

Antonius. Auch läßt er alle seine Lustgehege, Verschloßne Lauben, neugepflanzte Gärten Diesseit der Tiber euch und euren Erben Auf ewge Zeit, damit ihr euch ergehn Und euch gemeinsam dort ergötzen könnt. Das war ein Cäsar: wann kommt seinesgleichen?

Erster Bürger. Nimmer! nimmer!--Kommt! hinweg! hinweg! hinweg! Verbrennt den Leichnam auf dem heilgen Platze, Und mit den Bränden zündet den Verrätern Die Häuser an. Nehmt denn die Leiche auf!

Zweiter Bürger. Geht! holt Feuer!

Dritter Bürger. Reißt Bänke ein!

Vierter Bürger. Reißt Sitze, Läden, alles ein!

(Die Bürger mit Cäsars Leiche ab.)

Antonius. Nun wirk es fort. Unheil, du bist im Zuge: Nimm, welchen Lauf du willst!-- Ein Diener kommt. Was bringst du, Bursch?

Diener. Herr! Octavius ist schon nach Rom gekommen.

Antonius. Wo ist er?

Diener. Er und Lepidus sind in Cäsars Hause.

Antonius. Ich will sofort dahin, ihn zu besuchen, Er kommt erwünscht. Das Glück ist aufgeräumt Und wird in dieser Laun uns nichts versagen.

Diener. Ich hört ihn sagen, Cassius und Brutus Sei'n durch die Tore Roms wie toll geritten.

Antonius. Vielleicht vernahmen sie vom Volke Kundschaft, Wie ich es aufgewiegelt. Führ indes Mich zum Octavius. (Beide ab.)

Dritte Szene Eine Straße

Cinna, der Poet, tritt auf

Cinna. Mir träumte heut, daß ich mit Cäsarn schmauste, Und Mißgeschick füllt meine Phantasie. Ich bin unlustig, aus dem Haus zu gehn, Doch treibt es mich heraus.

Bürger kommen.

Erster Bürger. Wie ist Euer Name?

Zweiter Bürger. Wo geht Ihr hin?

Dritter Bürger. Wo wohnt Ihr?

Vierter Bürger. Seid Ihr verheiratet oder ein Junggesell?

Zweiter Bürger. Antwortet jedem unverzüglich.

William Shakespeare
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