Gieb mir deine Hand, ich wollte dir etwas sagen-- aber ich will es auf eine gelegnere Zeit versparen. Beym Himmel, Hubert, ich bin recht beschämt, wenn ich denke, wie grosse Verbindlichkeiten ich dir habe.

Hubert. Ich bin es, der Euer Majestät unendlich verpflichtet ist.

König Johann. Mein guter Freund, du hast noch keine Ursache das zu sagen--Aber du sollt bekommen--und so langsam die Zeit auch kriechen mag, so soll sie doch kommen, daß ich dir Gutes thun kan. Ich hatte dir was zu sagen--Aber, laß es gehen: Die Sonne ist am Himmel, und der stolze Tag, von den Freuden der Welt umgeben, ist zu üppig, zu voll von Lustbarkeiten, um mir Gehör zu geben. Wenn die mitternächtliche Gloke mit ihrer ehernen Zunge über die schlaftrunkne Geschöpfe der Nacht Eins erschallen liesse; wenn dieser Plaz wo wir stehn, ein Kirchhof wäre, und du vom Gefühl von tausend Beleidigungen besessen wärst; oder wenn der saure Geist der Melancholie dein Blut, das izt küzlend in deinen Adern auf- und ab rollt, so dik wie Leim gemacht hätte; oder wenn du sehen könntest ohne Augen, hören könntest ohne Ohren, und mir antworten ohne Zunge; wenn du, ohne Augen, ohne Ohren, ohne den beleidigenden Schall von Worten, durch blosse Gedanken mit mir reden könntest; denn wollt' ich, troz dem großaugichten wachtsamen Tag meine Gedanken in deinen Busen ausschütten--Aber so, will ich nicht--Und doch liebe ich dich sehr, und bey meiner Treue, ich denke, du liebest mich auch.

Hubert. So sehr, daß ich, ich schwör es beym Himmel, alles unternehmen will, was Euer Majestät mir befehlen kan, wenn gleich der Tod mit der That verknüpft wäre.

König Johann. Weiß ich nicht, daß du es thun würdest? Guter Hubert, Hubert, Hubert, wirf dein Auge auf jenen Knaben; ich will dir was sagen, Freund; er ist eine rechte Schlange in meinem Wege, und wohin ich den Fuß sezen will, ligt er vor mir. Verstehst du mich? Du bist sein Hüter.

Hubert. Und ich will ihn so hüten, daß er Eu. Majestät nimmer in den Weg kommen soll.

König Johann. Tod.

(leise.)

Hubert. Gnädigster Herr.

König Johann. Ein Grab.

Hubert. Er soll nicht leben.

König Johann. Genug, nun könnt' ich aufgeräumt seyn. Hubert, ich habe dich lieb. Gut, ich will nicht sagen, was ich für dich thun will; Vergiß es nicht--

(indem er zu Elinor zurükgeht.)

Madame, lebet wohl, ich will Euer Majestät die bewußten Truppen zusenden.

Elinor. Mein Segen geht mit euch.

König Johann (zu Arthur.) Izt nach England, Vetter; Hubert soll euer Mann seyn, und euch mit aller schuldigen Ehrerbietung zu Diensten stehen, auf, nach Calais, hinweg!

(Sie gehen ab.)

Sechste Scene. (Verwandelt sich in den Französischen Hof.) (König Philipp, Ludwig, Pandolpho, und Gefolge treten auf.)

König Philipp. So wird durch ein heulendes Ungewitter auf dem Meer eine ganze Armade von vereinbarten Segeln zerstreut und von einander verschlagen.*

{ed.-*Dieses Gleichniß, das an sich selbst an diesem Ort nicht zur Sache paßt, ist, wie viele andere Stellen in diesem Stüke, eine Anspielung auf die spanische Invasion im Jahr 1588, und die damalige Zeit-Umständ; indem dieses Schauspiel längstens einen oder zween Winter darnach zum erstenmal aufgeführt wurde. Warburton.}

Pandolph. Nur guten Muth gefaßt, alles soll noch gut gehen.

König Philipp. Was kan gut gehen, wenn es uns so übel geht? Sind wir nicht geschlagen? Ist nicht Angiers verlohren? Arthur gefangen? Verschiedne von unsern besten Freunden erschlagen? Und unser blutiger Gegner, mit verächtlichem Troz nach England zurükgegangen?

Ludwig. Was er gewonnen hat, hat er befestiget: So kluge Entwürfe, mit einem solchen Feuer ausgeführt, eine so gute Ordnung, in einem so ungestümen Lauf ist ohne Exempel; wer hat jemals von einer Action wie diese ist, gelesen oder gehört?

König Philipp. Ich könnte es nach wohl ertragen, daß England dieses Lob erhielte, wenn ich nur wenigstens ein Beyspiel, für unsre Schande kennte. (Constantia zu den Vorigen.) Sehet, wer kommt hier? Das Grab einer Seele, das den unsterblichen Geist wider seinen Willen in der verhaßten Gefangenschaft eines gequälten Athems hält.

William Shakespeare
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