Gaunt. Aber man sagt doch, daß die Zungen sterbender Menschen, gleich der zauberischen Harmonie zur Aufmerksamkeit nöthigen; sparsame Worte werden selten vergebens aufgewandt, denn diejenigen sagen die Wahrheit, die ihre Worte mit Schmerzen athmen müssen. Einer, der bald aufhören wird zu reden, wird eher gehört, als diejenigen, denen Jugend und Wohlaufseyn erlauben, sich in Worte zu ergiessen. Man giebt mehr auf der Menschen Ende acht, als auf ihr Leben; wie die Sonne nie mit mehr Vergnügen beschaut wird, als wenn sie untergeht, und an einer Musik nichts aufmerksamer macht als der Schluß. Ob Richard gleich die Räthe nicht hören wollte, die ich ihm in meinem Leben gab, so mag vielleicht der ernste Ton des Todes sein taubes Ohr durchdringen.

York. Sein Ohr wird noch von andern Zaubertönen verstopft, als von dem schmeichelnden Lobe seiner Regierung; überdas giebt es ausschweiffende Gesellschafter, deren vergiftete Reden das ungewahrsame Ohr der Jugend immer offen finden; Erzählungen von Moden in dem stolzen Italien, dessen Sitten unsre blöde, affenmäßige Nation, beständig auf eine plumpe Art nachahmet. Wo treibt die Welt irgend eine Eitelkeit hervor, (wenn sie nur neu ist, sie mag so nichtswürdig seyn als sie will,) die nicht augenbliklich in seine Ohren gesumset wird? Wo der Wille, vom Wiz unterstüzt, sich wider die Vernunft empört, da kommt guter Rath allezeit zu spät; versuch' es nicht, denjenigen leiten zu wollen, der sein eigner Wegweiser seyn will; du würdest deinen Athem verliehren, und das ist gerade was dir mangelt.

Gaunt. Mich däucht, ich bin ein neubegeisterter Prophet, und sterbend weissage ich so von ihm. Seine rasche, ausgelassene, unbezähmte Jugendhize, kan nicht von langer Dauer seyn; ein heftiges Feuer brennt sich bald selbst aus. Sanfte Regen dauren lange, plözliche Stürme gehen bald vorüber; der wird bald müde, der anfangs die Sporren zu stark gebraucht; und wer allzugierig ißt, hat am bäldesten genug. Leichtsinnige Eitelkeit, nachdem sie wie ein unersättlicher Vielfraß alle ihre Mittel verzehrt hat, wird bald gezwungen, sich selbst aufzuzehren. Dieser glorreiche Königs-Thron, diese bezepterte Insel, dieses majestätische Land, dieser Siz des Kriegs-Gottes, dieses andre Eden, dieses feste Castell, das die Natur für sich selbst aufgeworfen hat, um sich vor fremder Anstekung und feindseligem Anfall zu sichern, dieser edle Stamm von Menschen, dieser in die Silber-See eingefaßte Edelstein, dieser kleine Inbegriff der Welt, dem der umgebende Ocean für eine Mauer, oder für einen beschüzenden Graben gegen den Neid nicht so glükseliger Länder dient; diese Mutter und Sängerin königlicher Helden, welche ihr Vaterland furchtbar, ihre Geburt erlaucht, und ihre Thaten ruhmwürdig machen, wegen ihres christlichen Eifers und ihrer ritterlichen Tapferkeit so weit berühmt, als das Grab des Welt-Erlösers, in dem verstokten Judenlande von uns entfernt ist; dieses edle, würdige, theure Land, von dem glänzenden Ruhm seiner Söhne über alle andre emporgehoben, ist nun ausgemiethet, (ich sterbe, da ich es ausspreche) wie ein Pachthof oder Baurengut ausgepachtet! England, von der triumphierenden See umwunden, deren felsichtes Ufer den neidischen Siz des wäßrichten Neptuns zurükschlägt, ist auf eine schändliche Art in Fesseln von Pergament geworfen, und die Besiegerin andrer Völker hat eine schaamvolle Eroberung von sich selbst gemacht.* O! möchte diese Schmach mit meinem Leben sich enden, wie glüklich wäre mein Tod!

{ed.-* Was für eine Rede in dem Mund eines alten sterbenden Prinzen, der sich über Engbrüstigkeit und kurzen Athem beklagt! Indessen war dieses schülerhafte rhetorische Gewäsche, diese auf einander gehäuften, übel zusammenpassenden Metaphern, und diese abmattenden Tautologien, die allgemeine Mode in unsere Autors Zeit.}

Zweyte Scene. (König Richard, die Königin, Aumerle, Buschy, Green, Bagot, Roß und Willoughby zu den Vorigen.)

York. Der König ist gekommen; gehet sanft mit seiner Jugend zu Werke; junge feurige Füllen, wenn sie aufgebracht werden, rasen nur desto mehr.

William Shakespeare
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