Wann wir nun entschlossen sind, unser sclavisches Joch abzuschütteln, die gebrochnen Schwingen unsers sinkenden Vaterlandes wieder neu zu befiedern, die entehrte Crone von einem schimpflichen Versaz wieder einzulösen; den Staub abzuwischen, der unsers Scepters reines Gold verbirgt, und der Majestät ihre eigne Gestalt wieder zu geben: So folget mir schleunig nach Ravenspurg. Zaudert ihr aber, oder fürchtet ihr euch, so zu thun, so bleibet zurük, und seyd verschwiegen; so will ich allein gehen.

Ross. Zu Pferd, zu Pferd! Laßt die zaudern die sich fürchten.

Willoughby. Wenn anders mein Pferd aushält, so will ich der erste dort seyn.

(Sie gehen ab.)

Fünfte Scene. (Der Hof.) (Die Königin, Buschy und Bagot treten auf.)

Buschy. Gnädigste Frau, Eure Majestät ist viel zu niedergeschlagen. Ihr versprachst dem König beym Abschied, alle sich selbsthärmende Gedanken zu entfernen, und eine frohe Gemüthsfassung zu unterhalten.

Königin. Dem Könige zu gefallen, that ich's; mir selbst zu gefallen kan ich's nicht thun; und doch weiß ich keine Ursache, warum ich einen solchen Gast, wie der Kummer ist, willkommen heissen sollte, als diese, weil ich einem so werthen Gast, wie mein Richard ist, leb' wohl sagen mußte; und doch ist mir, als ob irgend ein noch ungebohrner Kummer, im Schooß des Schiksals reiffend, mir bevorstehe; meine innerste Seele zittert über etwas, ohne zu wissen was es ist; ausgenommen, daß es nicht die Trennung von dem König meinem Gemal ist.

Buschy. Ein jeder würklicher Schmerz hat zwanzig Schatten die ihm gleich sehen, und es doch nicht sind; durch den Crystall blendender Thränen, sieht das Auge der Traurigkeit einen einzigen Gegenstand in viele gespalten. Gleich gewissen perspectivischen Figuren, die, wenn man sie geradezu anschaut, nichts als verworrene Striche zeigen, aber aus einem gewissen schiefen Sehpunct eine regelmäßige Gestalt darstellen, zeigen sich euch, indem ihr euers Gemals Abwesenheit seitwärts anseht, Gestalten von Kummer, welche, wenn sie angesehen werden, wie sie sind, nichts als blosse Schatten von dem was nicht ist, sind. Trauret also über nichts mehr als die Abreise euers Gemals; mehr ist nicht sichtbar, oder ist es doch nur aus dem falschen Gesichtspunct der Traurigkeit, die oft über eingebildete Übel, wie über wahre, weint.

Königin. Es mag so seyn; und doch sagt meine innerste Seele mir etwas anders; dem sey wie ihm wolle, ich kann mich nicht erwehren traurig zu seyn, auf eine so bange Art traurig, daß wenn die Überlegung mir gleich sagt, es sey nichts, dieses ängstigende Nichts mich doch nichts desto minder schmachten und welken macht.

Buschy. Es ist blosse Einbildung, meine gnädigste Königin.

Königin. Nichts weniger als Einbildung; Einbildung entspringt allemal aus irgend einem vorhergegangenen Schmerz; so ist der meinige nicht. Denn Nichts hat das Etwas gebohren das mich ängstiget; aber was es ist, das ist noch unbekannt.*

{ed.-* Im Original ist dieses viel spizfündiger gesagt:

(For nothing hath begot my something-grief, Or something hath, the nothing that I grieve. But what it is, that is not yet Known, what I cannot name, 'tis nameless Woe, I wot.)}

Sechste Scene. (Green zu den Vorigen.)

Green. Der Himmel erhalte Euer Majestät!--Ich erfreue mich, euch zu sehen, meine Herren--Ich hoffe, der König hat sich noch nicht nach Irland eingeschift.

Königin. Warum hoffst du das; es ist mehr Ursache zu hoffen, daß er's gethan habe; denn seine Absichten erfordern Behendigkeit, und seine Behendigkeit giebt gute Hoffnung; warum sagst du also, du hoffest er sey noch nicht zu Schiffe?

Green. Damit Er, auf welchem alle unsre Hoffnung beruht, seine Macht zurük behalten hätte, um die Hoffnung eines Feindes zur Verzweiflung zu bringen, der trozig seinen Fuß in dieses Land gesezt hat. Der verbannte Bolingbroke hat sich selbst zurük beruffen, und ist mit emporgestrekten Waffen glüklich zu Ravenspurg angelangt.

Königin. Das verhüte der Himmel!

Green. O Gnädigste Frau, es ist nur allzuwahr; und was noch schlimmer ist, der Lord Northumberland, der junge Percy, sein Sohn, die Lords von Roß, Beaumond und Willoughby mit allen ihren mächtigen Freunden sind zu ihm übergegangen.

William Shakespeare
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