König Richard. Untröstlicher Vetter, weißst du nicht, daß wenn das forschende Auge des Himmels hinter unsrer Halbkugel verborgen ist und der Unterwelt leuchtet, daß dann Diebe und Mörder ungesehn herumschleichen und Räubereyen und blutige Gewalt verüben; aber sobald die wiederkehrende Sonne die stolzen Gipfel der östlichen Hügel glühen macht, und ihr Licht durch jede verbrecherische Gruft blizt, daß dann Mord und Verrath und jede schändliche Sünde, aus der Finsterniß schwarzem Mantel hervorgezogen, bloß und nakend da stehn, und über sich selbst erzittern? So, wenn dieser Räuber, dieser verräthrische Bolingbroke, der während dieser ganzen Nacht, da wir unsern Lauf bey den Antipoden vollbrachten, ungestört herumschwärmte, uns unsern Thron im Osten besteigen sehen wird, werden seine Verräthereyen, in seinem schaamglühenden Angesicht enthüllt, den Tag nicht ertragen können, der sie vor ihrer eignen grauenvollen Gestalt erzittern machen wird. Alle Wasser der ungestümen See sind nicht fähig, das geheiligte Öl von einem gesalbten Könige wegzuwaschen; und der Athem sterblicher Menschen kan denjenigen nicht entsezen, den der Herr zu seinem Statthalter ernannt hat. Für einen jeden Mann, den Bolingbroke aufgetrieben hat, sein Schwerdt gegen unsre Crone zu ziehen, hat der Himmel für seinen Richard einen glorreichen Engel in himmlischem Sold, und wo Engel fechten, da müssen schwache Menschen fallen.--

Dritte Scene. (Salisbury zu den Vorigen.)

König Richard. --Willkommen, Milord, wie weit ist eure Macht entfernt?

Salisbury. Weder näher noch ferner als dieser schwache Arm, mein Gnädigster Herr. Ich habe trostlose Zeitungen zu bringen. Ein einziger Tag zu spät, hat alle deine glüklichen Tage auf Erden umwölkt. O ruffe den gestrigen Tag zurük, befiehl der Zeit zurük zu kehren, und du wirst zwölftausend streitbare Männer haben. Dieser Tag, dieser einzige unglükselige Tag zu spät, vernichtet deine Freuden, deine Freunde, dein Glük und deinen Stand. Alle Welschen, haben, auf die Zeitung von deinem Tode, sich zerstreut, oder sind zu Bolingbroke übergegangen.

Aumerle. Fasset Muth, Gnädigster Herr, warum seht ihr so blaß aus?

König Richard. Nur noch vor einem Augenblik triumphierte das Blut von zwanzigtausend Mann in meinem Gesicht, und nun sind sie verschwunden; und bis wieder so viel Blut dahin zurük kommt, hab' ich nicht Ursach bleich und todtenhaft auszusehen? Die Zeit hat meinen Stolz zuschanden gemacht, und wer seine Seele retten will, flieht von meiner Seite.

Aumerle. Beruhiget euch, Gnädigster Herr, erinnert euch, wer ihr seyd.

König Richard. Ich hatte mich selbst vergessen: Bin ich nicht ein König? Erwache, du schüchterne Majestät, du schläfst! Ist nicht des Königs Name soviel als vierzigtausend Namen? Rüste, rüste dich, mein Name; ein elender Unterthan dräuet deiner glänzenden Majestät. Seht nicht so auf den Boden, ihr Günstlinge eines Königs! Sind wir nicht hoch? Laßt es uns wenigstens in Gedanken seyn. Ich weiß, mein Oheim York hat ein ansehnliches Heer zu unserm Dienst aufgebracht. Aber wer kommt hier?

Vierte Scene. (Scroop zu den Vorigen.)

Scroop. Ein besseres Glük falle meinem Könige zu, als meine kummerbeladne Zunge ihm ankündigen muß.

König Richard. Mein Ohr ist offen, und mein Herz gerüstet; das schlimmste was du sagen kanst, ist nur zeitlicher Verlust. Sagst du, mein Königreich sey verlohren? Nun dann, es war meine Sorge; was für ein Verlust ist es, seiner Sorgen entlediget zu werden? Strebt Bolingbroke so groß zu werden als wir? Grösser kan er nicht werden; und wenn er doch immer ein Unterthan des Himmels bleibt, so bin ich das auch, und so bleibt er meines gleichen. Empören sich unsre Unterthanen? Das können wir nicht ändern; sie brechen ihre Treue gegen Gott eben sowol als gegen uns. Ruffe immerhin Weh, Jammer, Verwüstung, Fall, Untergang; das schlimmste ist der Tod, und der Tod hat seinen unvermeidlichen Tag.

Scroop. Es erfreut mich, daß Eure Majestät so gerüstet ist, unglükliche Nachrichten zu ertragen.

William Shakespeare
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