Königin. Und müssen wir denn getrennt seyn? Müssen wir denn scheiden?

König Richard. Ja, Hand von Hand, meine Liebe, und Herz von Herz.

Königin. Verbannet uns beyde, und schikt den König mit mir.

Northumberland. Das wäre gütig, aber sehr unpolitisch.

Königin. So laßt mich mit ihm gehen.

König Richard. Weine du in Frankreich für mich, und ich will hier für dich weinen; es ist besser entfernt, als näher geschieden zu seyn. Geh, zähle deinen Weg mit Seufzern ab, ich mit Ächzen den meinigen.

Königin. So wird der längste Weg die meisten Seufzer haben.

König Richard. Ich will bey jedem Schritt zweymal ächzen, weil mein Weg der kürzere ist. Komm, komm, ein Kuß soll uns den Mund schliessen, und dann fahr' wohl; so geb' ich dir mein Herz, und so nehm' ich deines.

(Sie küssen sich.)

Königin. Nein, gieb mir das meinige zurük; es wäre kein schöner Abschied, wenn ich dein Herz mit mir nehmen wollte, um es zu tödten.

(Sie küssen sich wieder.)

So, nun hab' ich das Meinige wieder, damit ich mich bestreben kan, es mit einem Seufzer zu tödten.

König Richard. Wir vermehren nur unsern Schmerz mit diesen zärtlichen Verzögerungen; noch einmal, leb' wohl; das übrige laß unsre Thränen sagen.--

(Sie gehen ab.)

Dritte Scene. (Des Herzogs von York Palast.) (York und seine Herzogin treten auf.)

Herzogin. Milord, ihr wolltet fortfahren, mir den Einzug unsrer beyden Vettern in London zu erzählen, als ihr durch Thränen genöthigt wurdet, eure Geschichte zu unterbrechen.

York. Wo blieb ich stehen?

Herzogin. Bey dem kläglichen Absaz, Milord, da ruchlose unmenschliche Hände aus einem Fenster Staub und Auskehricht auf König Richard herunter schütteten.

York. Der Herzog, der grosse Bolingbroke, von einem heissen feurigen Hengst getragen, der, als ob er seinen emporstrebenden Reuter kenne, mit langsamem aber stolzem Schritt dahergieng, sezte also, wie ich sagte, seinen Zug fort, indem alle Zungen ihm entgegenriefen: Gott erhalte dich, Bolingbroke! Unzähliche weitoffne Augen schossen ihre verlangende Blike nach ihm, und das Zujauchzen war so groß, daß ihr gedacht hättet, die Mauren selbst mit den Bildern womit sie übermahlt sind, hätten auf einmal zu ruffen angefangen: Gott erhalte dich, willkommen, Bolingbroke! Indeß daß er, sich immer von einer Seite zur andern drehend, mit entblößtem Haupt, und alle Augenblike bis unter seines stolzen Rosses Kopf sich bükend, ihnen antwortete: Ich danke euch, meine Mitbürger; und so zog er langsam die Strasse durch.

Herzogin. O Jammer! Armer Richard! Wie gieng es ihm indessen?

York. Wie in einem Schauspiel die Augen der Leute, wenn ein beliebter Schauspieler die Scene verläßt, sich unachtsam von demjenigen wegwenden, der zunächst auftritt, in der Einbildung, daß sie nichts als ein langweiliges Gewäsche von ihm zu erwarten haben; eben so, oder noch verächtlicher, runzelte sich jede Stirne, da Richard kam; niemand rief. Gott erhalte ihn! Keine erfreute Zunge hieß ihn in seiner Hauptstadt willkommen; sondern Staub wurde auf sein geheiligtes Haupt geschüttet, den er mit einem so sanftmüthigen Schmerz und mit einem Gesicht, worinn Thränen und Lächeln, auf eine so herzrührende Art kämpften, von sich abschüttelte, daß, hätte nicht Gott, aus irgend einer furchtbaren Ursache, die Herzen der Menschen verhärtet, sie nothwendig hätten schmelzen, und Barbarey selbst ihn hätte beweinen müssen. (Aber der Himmel hat seine Hand in diesen Begebenheiten, und in seinen hohen Willen müssen wir den unsrigen ergeben. Wir sind nun Bolingbroks Unterthanen, und ihm hab' ich nun auf ewig meine Treue angelobt.)

Vierte Scene. (Aumerle zu den Vorigen.)

Herzogin. Hier kommt mein Sohn, Aumerle.

York. Der Aumerle war, und es nicht mehr ist, weil er Richards Freund war. Ihr müßt ihn nunmehr Rutland nennen, Madam; ich bin Bürge im Parlament für seine Treue gegen den neuen König worden.

Herzogin. Willkommen, Sohn; wo sind nun die Veilchen, die den grünen Schooß des jungen Frühlings bestreuen?

Aumerle. Madam, ich weiß es nicht, und bekümmre mich wenig darum.

William Shakespeare
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