Aber, o! wie sehr hat sich der gute Herzog in diesem Angelo betrogen! Wenn er jemals wieder zurük kömmt, und ich vor ihn kommen kan, so will ich die Sprache verliehren, oder ihm diese schändliche Regierung entdeken.

Herzog. Das wird nicht übel gethan seyn; aber so wie die Sache izt steht, wird Angelo eure Anklage unkräftig machen; er wird sagen, er habe euch nur auf die Probe gesezt. Höret also meinen Rath; meine Begierde Gutes zu thun, giebt mir ein Mittel ein: Mich däucht, ihr könntet auf die unschuldigste Art und zu gleicher Zeit einem armen beleidigten Frauenzimmer einen Dienst leisten den sie verdient, euerm Bruder das Leben retten, und euch dem abwesenden Herzog nicht wenig gefällig machen, wenn er jemals wiederkommen, und von dieser Sache hören sollte.

Isabella. Redet weiter; ich habe Muth genug alles zu unternehmen, wovon mein Herz mir nicht sagt, daß es unrecht ist.

Herzog. Die Tugend ist herzhaft, und die Güte niemals furchtsam. Habt ihr nicht von einer gewissen Mariana gehört, einer Schwester des Schiffhauptmann Friedrichs der auf dem Meer verunglükte?

Isabella. Ich habe viel Gutes von diesem Frauenzimmer sagen gehört.

Herzog. Sie sollte dieser Angelo geheurathet haben, er hatte sich mit ihr versprochen, und der Hochzeit-Tag war schon angesezt: Allein während der Zwischenzeit hatte Friedrich das Unglük, in einem Schiffbruch sein Vermögen, seiner Schwester Erbtheil, und sein Leben zu verliehren. Die arme Fräulein verlor dadurch einen edeln und angesehnen Bruder der sie zärtlichst liebte, mit ihm ihr Heurathgut, und mit beyden ihren Bräutigam, diesen scheinbaren Angelo.

Isabella. Ist das möglich? Angelo verließ sie?

Herzog. Verließ sie in Thränen, und troknete nicht eine derselben mit seinem Trost ab, brach sein Gelübde unter dem Vorwand einige Fleken an ihrer Ehre entdekt zu haben; kurz, überließ sie ihrem Elend, und den Schmerzen die sie um seinetwillen leidet--

Isabella. Wie wohl würde der Tod thun, wenn er dieses arme Mädchen aus der Welt nähme! Und wie ungerecht ist dieses Leben, daß es einen solchen Mann leben läßt! Aber wie kan ihr geholfen werden?

Herzog. Es ist ein Bruch, den ihr leicht heilen könnet; und die Heilung desselben rettet nicht nur euern Bruder, sondern macht auch daß ihr ihn ohne Verlezung eurer Ehre retten könnet.

Isabella. Wie kan das geschehen, mein guter Vater?

Herzog. Die vorbenannte Person hegt noch immer ihre erste Leidenschaft; sein ungerechter Kaltsinn, der ihre Liebe billig ausgelöscht haben sollte, hat sie, gleich einem Hinderniß das dem Lauf eines Stroms entgegensieht, nur heftiger und unordentlicher gemacht. Geht ihr zu Angelo, antwortet seinem Begehren durch den Verspruch eines verstellten Gehorsams; gestehet ihm die Hauptsache zu, nur behaltet euch diese Bedingungen vor, daß ihr euch nicht lange bey ihm verweilen müsset, daß die Zeit von Dunkelheit und Stillschweigen begleitet sey, und der Ort die Bequemlichkeiten habe, die ein Geheimniß erfodert. Gesteht er euch dieses zu, so geht alles nach unserm Wunsche; wir unterrichten alsdenn dieses beleidigte Mädchen, sich zur gesezten Stunde an euern Plaz zu stehlen; dieses kan, wenn die Wahrheit sich in der Folg' entdekt, ihn nöthigen ihr Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, euer Bruder kommt dadurch in Freyheit, eure Ehre bleibt unbeflekt, die arme Mariana wird versorgt, und dem Stadthalter wird die Larve abgezogen. Ich nehm' es über mich, das gute Mädchen dazu vorzubereiten; wenn euch dieser Entwurf sonst gefällt, so braucht ihr euch kein Bedenken zu machen; das dreyfache Gute das daraus entspringt, macht den Betrug untadelhaft. Was dünkt euch hiezu?

Isabella. Die Vorstellung davon beruhigt mich bereits und ich hoffe der Ausgang werde erfreulich seyn.

Herzog. Es kommt alles auf euern Beytrag an; eilet unverzüglich zu Angelo; wenn er euch um diese Nacht bittet, so sagt es ihm zu, unter den Bedingungen, die wir abgeredt haben. Ich will indessen zu Marianen gehen; fraget mir bey St. Lucas wieder nach, und macht daß ihr von Angelo bald zurükkommt.

William Shakespeare
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