Kerkermeister. Ich will so hurtig seyn als ich kan.

(Geht ab.)

(Isabella ruft hinter der Scene.)

Herzog. Das ist der Isabella Stimme--Sie kommt sich zu erkundigen, ob ihres Bruders Begnadigung angelangt sey. Aber ich will ihr das Beste noch verhalten, damit sie desto angenehmer davon überraschet werde, wenn sie es am wenigsten erwarten kan.

Zehnte Scene.

Isabella. Mit eurer Erlaubniß--

Herzog. Guten Morgen, meine schöne und liebenswürdige Tochter.

Isabella. Von einem so heiligen Mann kan dieser Gruß nicht anders als werth seyn. Hat der Stadthalter Befehl für meines Bruders Begnadigung geschikt?

Herzog. Er hat ihn von der Welt abgeruffen, Isabella; sein Kopf ist abgeschlagen, und dem Angelo zugeschikt.

Isabella. Nein, es ist nicht so, will ich hoffen.

Herzog. Es ist nicht anders. Gebt durch eure gedultigste Gelassenheit, meine Tochter, eine Probe eurer Weisheit.

Isabella. O, ich will zu ihm, und ihm die Augen ausreissen.

Herzog. Ihr würdet nicht vor ihn gelassen werden.

Isabella. Unglüklicher Claudio! Arme Isabella! Ungerechte Welt! Verdammter Angelo!

Herzog. Diß schadet ihm nichts, und nüzt euch nicht ein Jot. Geduldet euch also, stellet eure Sache dem Himmel anheim; höret was ich euch sage; ihr werdet ganz gewiß erfahren, daß es von Sylbe zu Sylbe eine sichre Wahrheit ist. Morgen kommt der Herzog wieder heim; troknet eure Augen; ein Priester von eurem Orden, der sein Beichtvater ist, hat mir diese Nachricht gegeben: Er hat dieses dem Angelo und Escalus schon zuwissen gethan, welche sich rüsten, ihm vor die Stadt entgegen zu gehen, und ihre Gewalt zu übergeben. Wenn ihr soviel von euch selbst gewinnen könnet, meinem Rath zu folgen, so werdet ihr durch den Herzog alle Rache die euer Herz wünschen kan, an diesem Unglükseligen nehmen, und allgemeinen Ruhm davon tragen.

Isabella. Ich überlasse mich eurer Führung.

Herzog. Uebergebet also dieses Schreiben dem Bruder Peter; es ist eben dasjenige, worinn er mir von des Herzogs Wiederkunft Nachricht giebt. Sagt ihm, es soll das Zeichen seyn, daß ich ihn heute Nachts in Marianens Hause sprechen wolle. Ich will ihm daselbst von eurer und Marianens Sache vollkommne Wissenschaft geben; er soll euch vor den Herzog stellen, und den Angelo ins Angesicht anklagen und überweisen. Denn ich selbst bin durch ein geheiligtes Gelübde genöthiget, um diese Zeit abwesend zu seyn. Geht izt mit diesem Briefe: Fasset guten Muth, und befehlet diese äzenden Thränen aus euern Augen. Bey der Ehre meines heiligen Ordens, eure Sache soll einen guten Ausgang gewinnen. Wer ist hier?

Eilfte Scene. (Lucio zu den Vorigen.)

Lucio. Guten Abend; Frater, wo ist der Kerkermeister?

Herzog. Nicht hier, mein Herr.

Lucio. O! meine artige Isabella, ich bin recht von Herzen blaß, deine schöne Augen so roth zu sehen; du must geduldig seyn; ich muß mich auch gedulden, statt der Mittags- und Abend-Mahlzeit mit Wasser und Brot vorlieb zu nehmen; ich darf mich für meinen Kopf nicht unterstehen, meinen Bauch zu füllen; eine einzige gute Mahlzeit würde mich liefern. Aber sie sagen, der Herzog werde morgen hier seyn. Bey meiner Treu, Isabell, ich liebte deinen Bruder; wäre der alte phantastische Herzog anstatt der finstern Winkel, bey Hause gewesen, so lebte er noch.

(Isabella geht ab.)

Herzog. Mein Herr, der Herzog ist euch für eure Discourse von ihm ausserordentlich wenig Dank schuldig; das beste ist indessen, daß sie nicht wahr sind.

Lucio. Frater, du kennst den Herzog nicht sowol als ich; er ist ein beßrer Weidmann als du dir einbildest.

Herzog. Gut, ihr sollt zu seiner Zeit Red' und Antwort davor geben. Lebet wohl.

Lucio. Nein, warte noch, ich will mit dir gehen; ich kan dir artige Histörchen von dem Herzog erzählen.

Herzog. Ihr habt mir bereits schon zuviel von ihm erzählt, wenn sie wahr sind; und sind sie es nicht, so wären gar keine schon genug.

Lucio. Ich bin einmal vor ihm gewesen, weil ich einem Menschen ein Kind gemacht hatte.

Herzog. Thatet ihr das?

Lucio. Das denk ich, zum Henker, daß ich es that; aber ich schwur es sauber weg; mein Seel, wenn ichs nicht gethan hätte, sie hätten mich an die faule Mispel verheurathet.

William Shakespeare
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