Herzog (zu Isabella.) Wenn er euerm Bruder gleicht, so sey er um euertwillen begnadiget, und um euers liebenswürdigen Selbst willen, gebt mir eure Hand, und sagt ihr wollt mein seyn, so ist er mein Bruder dazu; doch hievon zu gelegnerer Zeit. Angelo siehet hieraus, daß er nichts mehr zu besorgen hat; mich däucht ich sehe einen Schimmer von Hoffnung in seinen Augen. Gut, Angelo, ihr habt euer Vergehen abgebüßt; liebet eure Gemahlin, ihr Werth ergänzt den Eurigen. Ich finde mich heut ungemein aufgelegt zur Nachsicht, und doch ist hier einer, dem ich nicht verzeihen kan.

(Zu Lucio.)

Ihr, frecher Bursche, der mich für einen Geken, eine Memme, einen lüderlichen Bruder, einen Esel, einen Wahnwizigen kennet, womit hab ich um euch verdient, daß ihr mich so erhebet?

Lucio. Bey meiner Seele, Gnädigster Herr, ich sagt' es nur, weil es Mode ist, böses von den Leuten zu sagen; wenn Euer Durchlaucht mich deswegen hängen lassen will, so muß ich es leiden; aber ich wollte lieber, daß es euch gefallen möchte, mir den Staupbesen geben zu lassen.

Herzog. Den Staupbesen zuerst, Herr, und hernach den Galgen. Kerkermeister, laßt durch die ganze Stadt ausruffen, wenn irgend ein Weibsbild sey, die sich über diesen Gesellen zu beschweren habe, (wie ich ihn dann selbst habe sagen gehört, es sey eine schwanger von ihm,) so soll sie sich darstellen, und er soll sie heurathen; wenn die Hochzeit vorbey ist, so laßt ihn peitschen und aufhängen.

Lucio. Ich bitte Euer Durchlaucht, mich nicht an eine H** zu verheurathen; Euer Durchlaucht sagte nur erst, ich habe euch zum Herzog gemacht; Mein Gnädigster Herr, belohnet mich nicht so übel dafür, und macht mich zu einem Hahnrey.

Herzog. Bey meiner Ehre, du sollst sie heurathen. Deine Schmähungen und alle deine übrigen Uebelthaten sollen dir vergeben seyn; führt ihn indessen ins Gefängniß, und sehet, daß mein Wille hierinn vollzogen werde. Ihr, Claudio, säumet euch nicht, dem Frauenzimmer, das ihr gekränkt habt, Genugthüung zu geben. Ich wünsche euch Glük, Mariane; liebet sie, Angelo, ich habe ihre Beichte gehört, und kenne ihre Tugend. Habe Dank, mein guter Freund Escalus, für deinen guten Willen, du sollt Ursache finden dich dessen zu erfreuen. Habe Dank, Kerkermeister, für deine Sorgfalt und Verschwiegenheit; wir werden dich in einem würdigern Plaz zu gebrauchen wissen. Vergebt ihm, Angelo, daß er euch Ragozins Kopf statt Claudios gebracht hat; die Beleidigung vergiebt sich von selbst. Und ihr, meine theure Isabella, wenn ihr ein williges Ohr zu der guten Gesinnung neiget, die ich für euch trage, so ist was mein ist euer, und was euer ist, mein; und hiemit führet uns in unsern Palast, wo wir euch deutlicher entdeken werden, was ihr alle zu wissen nöthig habt.

Maaß für Maaß, oder: Wie einer mißt, so wird ihm wieder gemessen, von William Shakespeare (Übersetzt von Christoph Martin Wieland).

William Shakespeare
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