Werther Signor, euer Alter wird euch mehr Gewalt geben, als eure Waffen.

Brabantio. O du schändlicher Räuber! Wo hast du meine Tochter hin verborgen? Verdammlicher Bube! Du hast sie bezaubert; denn ich will alles was Vernunft hat den Ausspruch thun lassen, ob ein Mädchen, so jung, so schön, so zärtlich als sie war, von ihrem Stand und Glük, und so abgeneigt vom Heurathen, daß sie den Augen der auserlesensten und reichsten von unsrer edelsten Jugend sich entzog--ob ein solches Mädchen, ohne die fesselnde Gewalt zaubrischer Künste fähig gewesen wäre, dem allgemeinen Spott Troz zu bieten, und aus dem väterlichen Haus zu entlauffen, um in die russichten Arme eines solchen Dings wie du, das geschikter ist Schreken zu erweken, als Liebe, sich hinein zu stürzen? Die ganze Welt sey Richter, ob es nicht handgreiflich ist, daß du vermittelst schnöder Zauber-Mittel oder Liebes-Tränke die das Hirn verrüken, ihre schuldlose Jugend mißbraucht und verleitet hast--Ich will es untersucht haben: Es ist wahrscheinlich, man kan sich nichts anders vorstellen. Ich arrestiere dich also hier, als einen Verführer und der hiezu verbotne Künste treibt--Bemächtigt euch seiner; und wenn er sich wehrt, so entwaffnet ihn auf seine Gefahr.

Othello. Haltet ein, zu beyden Seiten; wenn es hier meine Scene zum Fechten wäre, so würd' ich's ohne einen Einsager gewußt haben. Wohin wollt ihr, daß ich mit euch gehen soll, mich auf diese Anklage zu verantworten?

Brabantio. Ins Gefängniß, bis zur gehörigen Zeit, wo du vor der Gerichts-Bank erscheinen sollst.

Othello. Aber wenn ich euch gehorche, wie soll indeß der Herzog zufrieden gestellt werden, dessen Abgeordnete hier zu meiner Seite und im Begriff sind, mich in einer dringenden Angelegenheit des Staats zu ihm zu führen?

Officier. Diß verhält sich würklich so, sehr edler Herr; der Herzog ist im Staats-Rath; und ich bin sicher, daß ihr gleichfalls dahin beruffen worden seyd.

Brabantio. Wie? der Herzog im Staats-Rath? In dieser späten Nacht? Führt ihn dahin; meine Sache ist keine Kleinigkeit. Der Herzog selbst und jeder von meinen Brüdern im Staat kan nicht anders als diese Beleidigung so empfinden, als ob sie ihnen selbst angethan worden wäre. Wenn solche Frefel-Thaten ungestraft verübt werden dürften, so würden bald Sclaven und Banditen unsre Befehlshaber seyn.

(Sie gehen ab.)

Siebende Scene. (Verwandelt sich in das Rath-Haus.) (Der Herzog und die Senatoren, an einer Tafel mit Lichtern sizend, und einige Officianten etc.)

Herzog. Es ist zu wenig Uebereinstimmung in diesen Zeitungen, als daß sie Glauben verdienen könnten.

1. Senator. In der That, sie gehen weit von einander ab; meine Briefe sagen hundert und sieben Galeren.

Herzog. Und meine hundert und vierzig.

2. Senator. Und die meinen zwoohundert; allein ob sie gleich in der Zahl nicht zusammentreffen, (welches in Fällen, wo der Bericht nach blosser Muthmassung gemacht werden muß, nicht zu verwundern ist,) so stimmen doch alle darinn überein, daß eine türkische Flotte in der See ist, und daß es auf Cypern abgesehen sey.

Herzog. Es ist möglich, und wenn ich mich auch irren sollte, so werd' ich doch alle Maaßnehmungen einer klugen Furcht, die allezeit die Mutter der Sicherheit ist, bey diesen Umständen gut heissen.

Matrosen (hinter der Scene.)

Holla! ho! he! aufgemacht! (Die Matrosen kommen herein.)

Officiers. Eine Bottschaft von den Galeeren.

Herzog. Nun!--was ist euer Anbringen?

1. Matrose. Ich habe Befehl der Regierung anzuzeigen, daß die Türkischen Kriegs- Zurüstungen der Insel Rhodis gelten.

(Die Matrosen gehen ab.)

Herzog. Was sagt ihr zu diesem Wechsel?

1. Senator. Es kan nicht seyn, es ist ganz und gar nicht glaublich. Es ist ein blosser Kunstgriff, unsre Augen von der Seite abzuhalten, wo die Gefahr würklich ist. Wenn wir bedenken, wie wichtig Cypern den Türken ist--wie viel gelegner es ihnen ist als Rhodis--und daß sie die Eroberung desselben weit eher hoffen können, da es weniger befestigt, und in allen Absichten in schwächerm Vertheidigungs- Stand ist--Wenn wir dieses in gehörige Betrachtung ziehen, so werden wir uns schwerlich einbilden können, daß der Türk so unbesonnen seyn werde, eine reiche und leicht zu gewinnende Beute fahren zu lassen, um sich an eine gefährliche und wenig vortheilhafte Unternehmung zu wagen, von der er sich mit keiner Wahrscheinlichkeit einen guten Erfolg versprechen kan.

William Shakespeare
Classic Literature Library

All Pages of This Book