Herzog. Also, in ihres Vaters Hause.

Brabantio. Das will ich nicht.

Othello. Ich noch weniger.

Desdemona. Auch ich wollte nicht dort wohnen, und meinen Vater zu ungeduldigen Gedanken reizen, wenn ich immer in seinen Augen wäre. Gnädigster Herr, leihet meiner Bitte ein geneigtes Ohr, und unterstüzet sie mit eurer Stimme.

Herzog. Was verlangt ihr, Desdemona?

Desdemona. Daß ich den Mohren liebte, um mit ihm zu leben, mag die Entschlossenheit, womit ich so vielen Vorurtheilen Gewalt angethan habe, durch die ganze Welt austrompeten. Mein Herz und meine Person sind von meinem Gemahl unzertrennlich. Ich sah Othello's Gesicht in der Schönheit seines Gemüthes, und seinen Verdiensten und heldenmässigen Eigenschaften hab ich meine Seele und mein ganzes Glük gewiedmet. So daß, theureste Herren, wenn ich zurükgelassen werde, und er in den Krieg geht, ich des Rechts, seine Gefahren mit ihm zu theilen, des Rechts, um deswillen ich ihn liebe, verlustig, und in seiner schmerzlichen Abwesenheit zu einem verdrießlichen Interim verurtheilt wäre. Laßt mich also mit ihm gehen.

Othello. Eure Genehmigung, Gnädige Herren! Ich bitte euch, laßt sie ihren Willen haben. Ich bitt' es nicht aus Rüksicht auf den Vortheil meines eignen Vergnügens, nicht aus Gefälligkeit gegen die Hize junger Begierden, die der erste Genuß mehr gereizt als befriedigt hat;--sondern dem Edelmuth ihres Herzens seinen freyen Lauff zu lassen. Der Himmel verhüte, daß ihr mich fähig haltet, eure ernsthaften und grossen Angelegenheiten zu vernachläßigen, wenn sie bey mir ist--Nein! Wenn jemals die kindischen Puppen-Spiele des befiederten Cupido die Werkzeuge meines Verstands und meiner Thätigkeit in üppige Trägheit senken, und meine Ergözungen meinen Arbeiten schädlich sind; dann laßt Haus-Weiber eine Brey-Pfanne aus meinem Helm machen, und die unwürdigsten, schmählichsten Wiederwärtigkeiten sich zum Untergang meines Ruhms verschwören.

Herzog. Ihr Gehen oder Bleiben soll eurer eignen Willkühr überlassen seyn-- Die Geschäfte fordern die hastigste Eilfertigkeit. Ihr müßt diese Nacht noch fort.

Desdemona. Diese Nacht, gnädigster Herr?

Herzog. Diese Nacht.

Othello. Von Herzen gerne.

Herzog. Morgen um neun Uhr wollen wir hier wieder zusammen kommen. Othello, laßt einen Officier zurük, durch den wir euch euer Patent, und eure Instruction nachschiken können.

Othello. Wenn es Eu. Durchlaucht nicht entgegen ist, so ist hier mein Fähndrich, ein Mann von Ehre und Redlichkeit, dem ich die Begleitung meines Weibs anvertrauen will, und durch den mir zugleich alles andre nachgeschikt werden kan, was Eu. Durchlaucht für nöthig hält.

Herzog. Ich bin's zufrieden. Gute Nacht allerseits--(Zu Brabantio.)

Und, edler Signor, wenn Tugend die glänzendste Schönheit ist, so ist euer Tochtermann mehr weiß als schwarz.

Senator. Adieu, tapfrer Mohr, begegne Desdemonen wol.

Brabantio. Sieh fleissig zu ihr, Mohr, wenn du Augen hast; sie hat ihren Vater betrogen, und wird dir's vielleicht nicht besser machen.

(Der Herzog und die Senatoren gehen ab.)

Othello. Ich stehe mit meinem Leben für ihre Treue--Ehrlicher Jago, dir muß ich meine Desdemona hinterlassen; ich bitte dich, gieb ihr deine Frau zur Gesellschaft, und bringe sie mit der besten Gelegenheit nach. Komm, Desdemona, ich habe nur eine Stunde, die ich der Liebe und unsern Angelegenheiten schenken kan. Wir müssen der Zeit gehorchen.

(Sie gehen ab.)

Zehnte Scene. (Rodrigo und Jago bleiben.)

Rodrigo. Jago--

Jago. Was willst du mir sagen, tapfres Herz?

Rodrigo. Was denkst du, daß ich thun will?

Jago. Was? Zu Bette gehen und schlaffen.

Rodrigo. Ich will auf der Stelle gehn, und mich ins Wasser stürzen.

Jago. Wenn du das thust, so werd' ich dich in meinem Leben nicht mehr lieb haben. Wie, du bist ein recht alberner Edelmann!

Rodrigo. Es ist etwas albernes, leben, wenn Leben eine Qual ist; und dann, so sterben wir ja nach den Regeln, wenn der Tod unser Arzt ist.

Jago. O wie niederträchtig das gedacht ist! Es ist schon viermal sieben Jahre, daß ich mich auf der Welt umsehe, und seitdem ich einen Unterscheid zwischen einer Wohlthat und einer Beleidigung machen kan, hab' ich noch keinen Menschen gesehen, der den Verstand hätte sich selbst zu lieben.

William Shakespeare
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