Hinter der Scene Ein Segel! ein Segel! ein Segel!

Cassio. Was bedeutet dieses Geschrey?

1. Officier. Die Stadt ist leer; Schaarenweis steht das Volk am Ufer, und sie ruffen: Ein Segel!

Cassio. Ich hoffe es ist des Ober-Befehlhabers.

Officier. Sie geben ihm ihre Freude durch Zujauchzungen zu erkennen; es sind Freunde, wenigstens.

Cassio. Ich bitte euch, mein Herr, geht und bringt uns Gewißheit, wer angekommen ist.

Officier. Ich will.

(ab.)

Montano. Aber mein lieber Lieutenant, ist euer General vermählt?

Cassio. Ja, und höchstglüklich; er hat eine junge Gemahlin davongetragen, die alles übertrift, was das ausschweiffende Gerücht zu ihrem Lob sagen kan: eine Gemahlin, deren Schönheit den Pinsel des feinsten Mahlers beschämt, und die in einem irdischen Kleide ein wahrer Auszug aller Vollkommenheiten der Schöpfung ist--

Vierte Scene. (Der Officier kommt zurük.)

Cassio. Wie steht's? Wer ist eingelauffen?

Officier. Ein gewisser Jago, der Fähndrich des Generals.

Cassio. Das kostbare Kleinod, womit er beladen war, hat seine Fahrt so glücklich gemacht; die Ungewitter selbst, schwellende Seen und heulende Winde, die Wasserbedekten Felsen und die aufgehäuften Sandbänke, (Verräther, die im Verborgnen lauren, den schuldlosen Kiel anzuhalten) vergessen, gleich als ob sie ein Gefühl der Schönheit hätten, ihre natürliche Grausamkeit, um die göttliche Desdemona unbeleidigt durchzulassen.

Montano. Wer ist diese?

Cassio. Sie, von der ich sprach, die Beherrscherin unsers grossen Befehlshabers, die er der Führung des kühnen Jago anvertraut hat, und deren beschleunigte Ankunft unsern Gedanken um eine Woche wenigstens zuvorkömmt. Beschüze nun, o Himmel, beschüze noch Othello! und schwelle seine Seegel mit deinem eignen allmächtigen Athem auf, damit er mit seinem schönen Schiff diese Bay beselige, und wenn seine Liebe in Desdemonens Armen die Entzükung des Wiedersehens ausgeathmet hat, unsre erlöschende Geister in neues Feuer seze, und ganz Cypern mit Muth und Vertrauen erfülle.--

Fünfte Scene. (Desdemona, Jago, Rodrigo und Aemilia zu den Vorigen.)

Cassio. --O sehet! der Schaz des Schiffes ist ans Land gekommen: Ihr Männer von Cypern, laßt eure Knie sie bewillkommen! Heil dir, Gebieterin, und jeder Segen des Himmels gehe vor dir her, folge dir, und schwebe zu deiner Seiten rings um dich her.

Desdemona. Ich danke euch, tapfrer Cassio--Was für Nachrichten könnt ihr mir von meinem Herrn geben?

Cassio. Er ist noch nicht angeländet, doch weiß ich nichts anders, als daß er wohl ist und in kurzem hier seyn wird.

Desdemona. O--ich besorge nur--Wie verlohret ihr ihn?

Cassio. Der heftige Streit zwischen Luft und Meer trennte unsre Gesellschaft--Aber horcht, ein Segel!

Hinter der Scene: Ein Segel! ein Segel!

Officier. Dieser Gruß wird gegen die Citadelle gemacht; es ist gleichfalls ein Freund.

Cassio. Seht was es ist: Mein lieber Fähndrich, willkommen! (Zu Aemilia, mit einem Kuß.) Willkommen, Madam. Nehmt mir nicht übel, mein guter Jago, daß ich meiner Freude den Lauf lasse; es ist eine Gewohnheit von meiner Erziehung her, daß ich so frey im Ausdruk einer schuldigen Höflichkeit bin.

Jago. Ich wollte, mein Herr, sie wäre gegen euch so freygebig mit ihren Lippen, als sie es oft gegen mich mit ihrer Zunge ist, ihr würdet ihrer genug kriegen!

Desdemona. Wie, sie spricht ja gar nichts.

Jago. Wahrhaftig, nur zuviel; ich find' es immer, wenn ich gerne schlafen möchte; vor Euer Gnaden, da glaub' ich selber, daß sie ihre Zunge ein wenig in ihr Herz stekt, und nur in Gedanken keift.

Aemilia. Ihr habt wenig Ursache so zu reden.

Jago. Kommt, kommt, ich kenne euch Weiber so gut als einer; ihr seyd Gemählde ausser Hause; Gloken in eurem Zimmer; wilde Kazen in eurer Küche; Heilige, wenn ihr beleidigt; Teufel, wenn ihr beleidigt werdet; Comödiantinnen in eurer Wirthschaft, und nirgends Haus- Weiber, als in--euerm Bette.

Desdemona. O fy, schämt euch, ihr garstiger Verläumder!

Jago. Nein, es ist wie ich sage, oder ich will ein Türk seyn; ihr steht auf, um zu spielen, und legt euch zu Bette, um zu arbeiten.

William Shakespeare
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