In Betrachtung der Zeit, des Orts und der gegenwärtigen Umstände dieses Lands möcht' ich selbst von Herzen wünschen, es wäre nicht begegnet; aber da es nun einmal so ist wie es ist, so ergebt euch darein, und denkt darauf, wie ihr's wieder gut machen wollt.

Cassio. Gesezt, ich geh, und bitt' ihn wieder um meine Stelle, so wird er mir sagen, ich sey ein Trunkenbold--Hätte ich so viele Mäuler als die Hydra, eine solche Antwort würde sie mir alle stopfen. Izt ein vernünftiger Mensch seyn, bald darauf ein Narr, und dann plözlich gar ein Vieh--Ein jedes Glas das man zuviel trinkt ist verflucht, und das Ingrediens davon ist ein Teufel.

Jago. Kommt, kommt, guter Wein ist ein guter (Spiritus familiaris,) wenn man mit ihm umzugehen weiß: Keine Declamationen mehr dagegen!--Mein lieber Lieutenant, ich hoffe doch, ihr glaubt, daß ich euer Freund bin.

Cassio. Ihr habt mir Proben davon gegeben, mein Herr--Ich, betrunken!--

Jago. Das ist etwas, das euch und einem jeden andern ehrlichen Mann in der Welt einmal begegnen kan--Ich will euch sagen, was ihr thun solltet. Unsers Generals Frau ist izt der General. Ich kan mich dieses Ausdruks bedienen, weil er sich ganz und gar der Beschauung, Betrachtung und Beherzigung ihrer Vollkommenheiten und Schönheiten gewiedmet und überlassen zu haben scheint. Macht ihr ein freymüthiges Geständniß euers Fehlers, und laßt nicht ab, bis sie euch verspricht euch wieder zu euerm Plaz zu helfen. Sie ist von einer so großmüthigen, so gütigen, so menschenfreundlichen Gemüths- Art, daß sie es für einen Mangel an Güte hielte, nicht noch mehr zu thun als man von ihr begehrt. Bittet sie, dieses zerbrochne Band zwischen euch und ihrem Manne wieder zusammen zu löthen--und ich will alles was ich habe gegen eine Steknadel sezen, eure Freundschaft wird stärker werden als sie je gewesen ist.

Cassio. Euer Rath ist gut.

Jago. Er ist wenigstens gut gemeynt, und kommt aus einem aufrichtigen und freundschaftlichen Herzen.

Cassio. Davon bin ich überzeuget; ich will es nicht länger als bis morgen früh anstehen lassen, die tugendhafte Desdemona um ihr Vorwort zu bitten; ich bin gänzlich verlohren, wenn ich auf eine so schimpfliche Art von hier gejagt werde.

Jago. Ihr habt recht; gute Nacht, Lieutenant; ich muß zur Wache sehen.

Cassio. Gute Nacht, redlicher Jago--

(Er geht ab.)

Vierzehnte Scene.

Jago (allein.) Und wo ist nun der, welcher sagen kan, ich spiele die Rolle eines Spizbuben? Da der Rath, den ich ihm gebe, gut, ehrlich, von dem wahrscheinlichsten Erfolg, ja in der That der gerade Weg ist, den Mohren wieder zu gewinnen. Denn es ist etwas sehr leichtes die gutherzige Desdemona zu bewegen, daß sie irgend eine erlaubte Bitte begünstige; sie ist von einer so überfliessend-wohlthätigen Natur wie die alles umfassenden Elemente. Und dann ist für sie wiederum nichts leichters als den Mohren zu gewinnen, wär' es auch seinem Taufbund zu entsagen, so gänzlich ist seine Seele in ihrer Liebe verstrikt; sie kan mit ihm anfangen was sie will, machen, wieder vernichten, wie es ihrem Eigensinn nur belieben mag, den Gott mit seiner Schwäche zu spielen. Bin ich denn also ein Spizbube, dem Cassio einen Weg zu rathen, der ihn so gerade zu seinem Besten führt? Beym Abgott der Hölle! wenn Teufel ihre schwärzeste Sünden ausüben wollen, so täuschen sie uns zuvor in himmlischen Gestalten-- So mach' ichs würklich auch. Denn indeß daß dieser ehrliche Thor sich Desdemonen zu Füssen wirft, um sein Glük wieder herzustellen, und sie alle ihre Macht über den Mohren zu Cassio's Vortheil anwendet; ich will ihm den giftigen Argwohn in die Ohren blasen, daß sie ihn nur zu Büssung ihrer Lust so gerne bey sich zu behalten wünsche; und je eyfriger sie sich bemühen wird, ihm Gutes zu thun, je mehr wird sie ihren Credit in den Augen des Mohren verliehren. So will ich ihre Tugend in Pech verwandeln, und aus ihrer Güte selbst ein Nez machen, worinn sie alle gefangen werden sollen. Wo kommt ihr her, Rodrigo?

Fünfzehnte Scene. (Rodrigo zu Jago.)

Rodrigo. Ich lauffe hier mit der Jagd, nicht wie ein Hund der jagt, sondern nur, wie einer der schreyen hilft.

William Shakespeare
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