Wenn er nicht ein Mann ist, der euch aufrichtig liebt, und der aus blosser Uebereilung und nicht mit Vorsaz gefehlt hat, so versteh ich nichts davon was ein ehrliches Gesicht ist.

Othello. War er's, der nur eben weggieng?

Desdemona. Und so niedergeschlagen, daß er meinem mitleidigen Herzen einen Theil seines Kummers zurükgelassen hat. Ich bitte euch, mein Schaz, laßt ihn zurükruffen.

Othello. Noch nicht, liebste Desdemona, ein andermal.

Desdemona. Aber doch bald?

Othello. Bald genug, mein Herz, für dich.

Desdemona. Heute, Abends, zum Nacht-Essen?

Othello. Das nicht.

Desdemona. Also doch morgen auf den Mittag?

Othello. Ich esse morgen mit einigen Officiers in der Citadelle zu Mittag.

Desdemona. Nun, also doch Morgen Nachts, oder Dienstag Morgens oder Nachts, oder Mittwoch Morgens, ich bitte dich, bestimme die Zeit; aber laß es nicht länger als drey Tage seyn; bey meiner Treue, er ist bußfertig; und doch ist sein Verbrechen, nach der gemeinen Art davon zu urtheilen und bey Seite gesezt, daß in Kriegszeiten von einem Officier das beste Exempel gefordert wird, eine kleine Uebereilung, die kaum einen Privat-Verweis verdient--Wenn soll er kommen? Sag mir's, Othello! Mich nimmt in der Seele Wunder, was ihr mich bitten könntet, das ich euch abschlagen würde, oder wobey ich so verdrieslich dastühnde! Wie? Michael Cassio!--Der eurer Liebe zu mir so gute Dienste leistete; der so oft, wenn ich nicht sehr vortheilhaft von euch sprach, eure Parthey nahm--und ich soll soviel Mühe haben, ihn wieder bey euch in Gunst zu sezen? Glaubt mir auf mein Wort, ich wollte wohl mehr--

Othello. Ich bitte dich, laß es genug seyn; er kan kommen, wenn er will; ich will dir nichts abschlagen.

Desdemona. Wie, das ist keine Gefälligkeit, die ich für mich bitte; es ist als ob ich euch bitte eure Kleider zu tragen oder von einer gesunden Speise zu essen, oder euch warm zu halten; kurz, als ob ich bey euch darum anhielte, daß ihr euch selbst etwas zu gut thun möchtet. Nein, wenn ich eine Bitte habe, wodurch ich eure Liebe in der That auf die Probe zu stellen gedenke, so soll es etwas schweres und grosses seyn, etwas das Herz erfordert, um bewilliget zu werden.

Othello. Ich werde dir nichts abschlagen, und alles was ich mir dagegen von dir ausbitte, ist, daß du mich izt ein wenig allein lassen wollest.

Desdemona. Sollt' ich euch's abschlagen? Nein; lebt wohl, mein Gemahl.

Othello. Lebe wohl, meine Desdemona, ich will gleich folgen.

Desdemona. Aemilia, komm; seyd wie es euch eure Laune eingiebt, ihr mögt seyn wie ihr wollt, so bin ich gehorsam.

(Sie gehen ab.)

Fünfte Scene. (Othello und Jago bleiben.)

Othello. Anmuthsvolle Spizbübin!--Verderben erhasche meine Seele, wenn ich dich nicht liebe--und wenn ich dich nicht mehr liebe, so ist die Welt wieder zum Chaos worden.

Jago. Mein Gebietender Herr--

Othello. Was willt du sagen, Jago?

Jago. Wie ihr euch um eure Gemahlin bewarbet, wußte Michael Cassio etwas von eurer Liebe?

Othello. Allerdings, vom Anfang bis zum Ende: Warum fragst du?

Jago. Bloß zu meiner eignen Befriedigung; es hat gar nichts böses zu bedeuten.

Othello. Warum zu deiner eignen Befriedigung?

Jago. Ich glaubte nicht, daß er etwas davon gewußt habe.

Othello. Oh, ja, das hat er, und er war oft die Mittels-Person zwischen uns beyden.

Jago. In der That!

Othello. In der That? Ja, in der That! Siehst du was hierinn? Ist er nicht ein rechtschaffner Mann?

Jago. Rechtschaffen, Gnädiger Herr?

Othello. Rechtschaffen? Ja, rechtschaffen!

Jago. Gnädiger Herr, so viel ich weiß.

Othello. Was denkst du?

Jago. Denken, Gnädiger Herr!

Othello. Denken, Gnädiger Herr!--Wie, beym Himmel! Was meynst du damit, daß du mir immer nachhallest, gleich als ob irgend ein Ungeheuer, zu gräßlich um gezeigt zu werden, in deinen Gedanken verborgen läge? Du meynst etwas damit; vor einer kleinen Weile hört' ich dich sagen, (das gefalle dir nicht)--wie Cassio von meinem Weibe weggieng. Was gefiel dir nicht?--Und wie ich dir sagte, er sey während dem ganzen Lauf meiner Bewerbung um Desdemona mein Vertrauter gewesen, riefst du, (in der That?) und zogst deine Augbraunen auf eine Art zusammen, als ob du in selbem Augenblik irgend einem scheußlichen Gedanken in deinem Gehirn den Ausgang versperren wolltest: Wenn du mein Freund bist, so sage mir was du denkst.

William Shakespeare
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