Jago (wieder zurükkommend.) Gnädiger Herr, ich wollt' ich dürfte Eu. Gnaden bitten, dieser Sache nicht weiter nachzuhängen; überlaßt es der Zeit; ob es gleich ganz gut wäre, daß Cassio wieder seine Stelle hätte, (denn in der That, bekleidete er sie mit grosser Geschiklichkeit,) so würdet ihr doch, wenn es euch gefiele ihn noch eine Zeitlang in der Ungewißheit zu lassen, dabey Anlaß finden, ihn und sein Betragen besser kennen zu lernen. Gebt auch acht, ob eure Gemahlin seine Wiedereinsezung mit Merkmalen von Ungestüm und Heftigkeit betreiben wird; daraus würde sich vieles abnehmen lassen. Mittlerweile glaubet lieber, ich treibe meine Besorgnisse zu weit, und begegnet ihr so, daß sie keine Veränderung spüren könne; ich bitte Eu. Gnaden sehr darum.

Othello. Verlaß dich hierüber auf meine Klugheit.

Jago. Ich empfehle mich nochmals.

(Er geht ab.)

Sechste Scene. (Othello allein.)

Othello. Dieser Bursche ist der ehrlichste Mensch von der Welt, und kennt die Menschen und den Lauf der Welt meisterlich: Find' ich sie unkeusch, so soll alle meine Liebe sie nicht vor meinem Grimm retten--Vielleicht weil ich schwarz bin, und keine von den einschmeichelnden Eigenschaften im Umgang habe, die das ganze Verdienst dieser Jungfern-Knechte ausmachen; oder weil ich schon im herabsteigenden Alter bin--Doch, das will nicht viel sagen--Sie ist hin, ich bin betrogen, und mein Trost muß seyn, einen Ekel vor ihr zu fassen. O der Fluch des Ehestandes! Daß wir diese reizenden Geschöpfe unser nennen können, und nicht ihre Neigungen! Ich wollte lieber eine Kröte seyn, und von den Ausdünstungen einer Mistgrube leben, als in dem was ich liebe, einen Winkel für eines andern Gebrauch zu wissen. Und doch ist das die gewöhnliche Plage der Grossen, die hierinn unglüklicher als die Geringen sind; es ist ein unvermeidliches Schiksal wie der Tod--Hier kommt sie ja! (Desdemona und Aemilia treten auf.) Wenn sie ungetreu ist, so spottet der Himmel seiner selbst. Ich kan es nicht glauben!

Desdemona. Wie geht's, mein liebster Othello? Euer Mittag-Essen, und die edeln Insulaner, die ihr dazu eingeladen habt, warten auf eure Gegenwart.

Othello. Ich bin zu tadeln.

Desdemona. Warum redet ihr so schwach? Fehlt euch was?

Othello. Ich hab' einen Schmerz hier an meiner Stirne.

Desdemona. Das kommt nur, weil ihr zu viel gewacht habt, es wird bald wieder vergehen. Erlaubt mir nur, daß ich euch die Stirne hart verbinde, so wird es in einer Stunde wieder besser seyn.

(Sie zieht ihr Schnupftuch heraus, um es ihm umzubinden.)

Othello. Euer Schnupftuch ist zu klein: laßt es gut seyn: Kommt, ich will mit euch gehen.

(Das Schnupftuch entfällt ihr, indem sie es einsteken will.)

Desdemona. Es ist mir recht leid, daß ihr nicht wohl seyd.

(Sie gehen ab.)

Siebende Scene. (Aemilia bleibt zurük.)

Aemilia (indem sie das Schnupftuch aufließt.) Ich bin froh, daß ich dieses Schnupftuch gefunden habe; das war das erste Geschenk, das sie von dem Mohren empfieng. Mein wunderlicher Mann hat mir schon hundertmal gute Worte gegeben, daß ich es stehlen sollte. Allein sie liebt es so sehr, (denn er beschwor sie, es immer zu seinem Andenken zu behalten,) daß sie es immer mit sich herum trägt, um es zu küssen und damit zu schwazen. Ich will den Riß von der Stikerey abzeichnen, und es dann dem Jago geben; was er damit machen will, weiß der Himmel, nicht ich: Ich habe nichts dabey, als seine Grille zu befriedigen. (Jago tritt auf.)

Jago. Wie steht's? Was macht ihr hier allein?

Aemilia. Schmählt mich nicht; ich hab etwas für euch.

Jago. Ihr habt etwas für mich? Es ist etwas gemeines--

Aemilia. Wie?

Jago. Ein närrisches Weib zu haben.

Aemilia. O, ist das alles? Was gebt ihr mir für dieses Schnupftuch?

Jago. Was für ein Schnupftuch?

Aemilia. Was für ein Schnupftuch?--Wie, das so der Mohr Desdemonen gab; das nemliche, wo ihr mich so lange schon stehlen hiesset.

Jago. Hast du ihr's gestohlen?

Aemilia. Nein; aber sie ließ es aus Versehen entfallen, und da ich zu allem Glük dabey war, so hub ich's auf; sieh, da ist es.

William Shakespeare
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