Du bildest dir also ein, das sey ein Andenken von einer Liebste? Nein, Bianca, in ganzem Ernst.

Bianca. Wie, von wem ist es dann?

Cassio. Das weiß ich selbst nicht; ich fand es in meinem Zimmer; die Arbeit daran gefällt mir ungemein, und eh man es wieder begehrt, (welches vermuthlich geschehen wird) möcht' ich einen Abriß davon haben. Nimm es, mein Herz, und zeichn' es ab, und laß mich izt allein.

Bianca. Euch allein lassen? Warum?

Cassio. Ich warte hier auf den General, und denke, es würde mir eben keine grosse Dienste bey ihm thun, wenn er mich beweibt sehen würde.

Bianca. Wie ist das zu verstehen?

Cassio. Nicht als liebt' ich euch nicht.

Bianca. Sondern nur daß ihr mich nicht liebet. Ich bitte euch, macht mir das ein wenig deutlicher und sagt mir, ob ich euch diese Nacht nicht sehen soll?

Cassio. Wenigstens will ich euch sehen, sobald ich kan.

Bianca. Nun wohl dann, ich muß es also drauf ankommen lassen.

(Sie gehen ab.)

Vierter Aufzug.

Erste Scene. (Eine Strasse vor dem Pallast.) (Othello und Jago treten auf.)

Jago. Denkt ihr das?

Othello. Ob ich's denke, Jago?

Jago. Wie, einander heimlich küssen?

Othello. Unauthorisierte Küsse?

Jago. Oder auch nakend bey ihrem Freund im Bette zu ligen, eine, zwo und mehr Stunden, ohne was böses dabey zu meynen? Das sollte nicht möglich seyn?

{ed. * Eine Anspielung auf die berüchtigte Keuschheits-Probe des heiligen Robert von Arbrissel, der mitten zwischen zwoen schönen jungen Nonnen eine Probe machte, die mit einer Häßlichen gefährlich wäre.}

Othello. Nakend im Bette, Jago, und nichts böses dabey meynen? Das heißt, den Teufel zum Narren machen wollen: Leute, die mit tugendhaften Absichten so etwas thun, die versucht der Teufel nicht; sie versuchen den Himmel.

Jago. Und doch, wenn sie nichts thun, so ist es nur eine läßliche Sünde: Aber wenn ich meinem Weib ein Schnupftuch gebe--

Othello. Was dann?

Jago. Was dann? So gehört's ihr zu, Gnädiger Herr; und da es ihr zugehört, so kan sie's, denk' ich, wieder einem andern geben.

Othello. Ihre Ehre gehört auch ihr zu; darf sie solche darum weggeben?

Jago. Ihre Ehre ist ein unsichtbares Ding und es bleibt immer problematisch ob man sie hat oder nicht hat; aber das Schnupftuch--

Othello. Beym Himmel! du erinnerst mich an etwas das ich so gern vergessen hätte; du sagtest--oh, es kommt über mein Gedächtniß wie ein Unglük- weissagender Rabe über ein verpestetes Haus--er habe mein Schnupftuch.

Jago. Ja, und was ist's dann mehr?

Othello. Es ist nur zuviel.

Jago. Was wär' es denn, wenn ich sagte, ich habe mit meinen eignen Augen gesehen, daß er euch beleidigt habe, oder ich hab' es von ihm selbst gehört, (wie es denn solche Schurken giebt, die, wenn sie irgend ein Frauenzimmer, entweder durch ungestüme Verfolgungen oder durch die freywillige Ergebung der Dame unter sich gebracht haben, es unmöglich von sich selbst erhalten können nicht zu plaudern.)

Othello. Hat er dann etwas gesagt?

Jago. Das hat er, Gnädiger Herr; aber dessen seyd versichert, nichts was er nicht wieder läugnen und verschwören würde.

Othello. Was sagt' er denn?

Jago. Was? Er habe bey ihr--ich weiß nicht was gethan--

Othello. Was denn, was denn?

Jago. Gelegen.

Othello. Bey ihr?

Jago. Bey ihr, oder auf ihr--was ihr wollt--

Othello. Bey ihr! Auf ihr! Bey ihr gelegen! Das ist alles was man sagen kan: Das Schnupftuch--Sein eigen Geständniß--Das Schnupftuch! das Schnupftuch!--Ich erschüttre vom blossen Gedanken--Ohne eine grosse Ursache würde die Natur sich selbst in keinen solchen Schatten einhüllen. Es sind keine Worte, die mich so schütteln--Nasen, Ohren und Lippen--ist's möglich! Sein Geständniß! Ihr Schnupftuch! --O Teufel!

(Er wird ohnmächtig.)

Jago. Würke du nur wohl, meine Mixtur, würke! So muß man leichtgläubige Narren fangen--manche rechtschaffne und keusche Frauen kommen, mit aller ihrer Unschuld, gerad auf solche Art um ihren guten Namen. Wie, he! Gnädiger Herr! Hört ihr nicht? Othello! he!

Zweyte Scene. (Cassio tritt auf.)

Jago. Wo kommt ihr her, Cassio?

Cassio. Was giebt's hier?

Jago. Der General ist von dem fallenden Weh überfallen worden; das ist nun der zweyte Anstoß; er hatte gestern den ersten.

William Shakespeare
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