Rodrigo. Oh, Bösewicht, der ich bin!

Othello. Das ist wol nicht anders.

Cassio. Oh, Hülfe, Hülfe! he! Licht! einen Wund-Arzt!

Othello. Es ist Er! O braver, ehrlicher, redlicher Jago, den das erlittne Unrecht seines Freundes in einen so edlen Eifer sezt! Du lehrst mich--Püpchen, euer Liebling ist todt; und eure Stunde eilt heran-- Ich komme, Meze--Deine Reizungen, deine Blike, dein Lächeln, sind aus meinem Herzen ausgewischt; und in deinem Bette, dem Schau-Plaz deiner zügellosen Lust, soll deine Straffe dich erhaschen!

(Er geht ab.)

Dritte Scene. (Lodovico und Gratiano treten in der Ferne auf.)

Cassio. Wie dann, he! Ist kein Wächter, ist kein Mensch da? Mörder, Mörder!

Gratiano. Es ist irgend ein Unheil begegnet; die Stimme ist gräßlich.

Cassio. O Hülfe!

Lodovico. Horcht!

Rodrigo. O elender Bösewicht!

Lodovico. Ich höre zween oder drey wehklagen. Es ist stokfinster; es könnte Verstellung seyn: Es ist nicht sicher, näher hinzugeben, da unsrer nur zween sind. (Jago, in seinem Hemd, mit gezognem Degen und einem Licht, tritt auf.)

Lodovico. Horcht.

Gratiano. Hier kam einer in blossem Hemde, mit einem Licht und gezognem Degen.

Jago. Wer ist hier? Wer ruft Mörder?

Lodovico. Das wissen wir nicht.

Jago. Hört ihr nicht schreyen?

Cassio. Hier, hier: Um's Himmels willen, helft mir.

Jago. Was giebt's hier?

Gratiano (zu Lodovico.) Wie mich däucht, so ist dieser hier Othello's Fähndrich.

Lodovico. Er ist's, in der That, ein wakrer herzhafter Camerad.

Jago. Wer seyd ihr hier, die ein so klägliches Geschrey erheben?

Cassio. Jago?--O ich bin gestümmelt, von Banditen zum elenden Manne gemacht- -Kommt mir zu Hülfe!

Jago. Gott sey bey uns! Lieutenant! Was für Bösewichter haben das gethan?

Cassio. Ich denke, einer davon ligt hier, und kan sich nicht davon machen.

Jago. Die meuchelmördrischen Schurken! (zu Lodovico und Gratiano.) Wer seyd ihr hier? Kommt näher, und helft.

Rodrigo. O, helft mir hier.

Cassio. Das ist einer von ihnen.

Jago. Du mördrischer Sclave! du Raker!

(Er giebt dem Rodrigo vollends den Rest.)

Rodrigo. O verruchter Jago! unmenschlicher Hund!

Jago. Leute im Dunkeln zu ermorden! Wo sind diese blutige Diebe? Wie? diese Stadt ist ja so still als wenn alles ausgestorben wäre! He! Mord! Mord!--Wer seyd wohl ihr? Seyd ihr ehrliche Leute oder--

Lodovico. Qualificiert uns, wie ihr uns findet.

Jago. Signor Lodovico?--

Lodovico. Er selbst, mein Herr.

Jago. Ich bitte tausendmal um Vergebung! Hier ligt Cassio, von Meuchelmördern verwundet.

Gratiano. Cassio?

Jago. Wie steht's um dich, Bruder?

Cassio. Mein Bein ist entzwey gehauen.

Jago. Das verhüte der Himmel! Licht, meine Herren, ich will ihn mit meinem Hemde verbinden.

Vierte Scene. (Bianca zu den Vorigen.)

Bianca. Was ist hier für ein Lerm? He, wer ist der, so ruft?

Cassio. Wer ist der, so ruft?

Bianca. O mein liebster Cassio! Mein süsser Cassio! O, Cassio, Cassio! Cassio!

Jago. O merkwürdige Meze! Cassio, könnt ihr nicht errathen, wer diejenigen seyn mögen, die euch so zugerichtet haben?

Cassio. Nein.

Gratiano. Es bekümmert mich sehr, euch so zu finden. Ich war im Begriff, euch aufzusuchen.

Jago. Lehnt mir ein Knieband. So--O wenn wir nur einen Lehn-Sessel hätten, um ihn bequemer wegzutragen!

Bianca. O Himmel, er wird ohnmächtig. O Cassio, Cassio, Cassio!

Jago. Meine Herren allerseits; ich hab' eine Vermuthung, daß dieser Bündel hier Antheil an dem verübten Bubenstük haben möchte. Ein wenig Geduld, lieber Cassio; kommt, kommt: Leiht mir das Licht: Kennen wir dieses Gesicht oder nicht? O Himmel! Mein Freund, mein liebster Landsmann? Rodrigo? Nein: ja, würklich: ja, es ist Rodrigo.

Gratiano. Wie, von Venedig?

Jago. Eben er, mein Herr; kanntet ihr ihn?

Gratiano. Ob ich ihn kannte? Ah!

Jago. Signor Gratiano! Ich bitte Eu. Gnaden sehr um Vergebung: Die Verwirrung bey einem so blutigen Auftritt muß die Entschuldigung meiner Unhöflichkeit machen.

William Shakespeare
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