Hülfe, Hülfe!

Achte Scene. (Montano, Gratiano, Jago und andre treten auf.)

Montano. Was giebt es hier? Wie, was bedeutet das, General?

Aemilia. O, seyd ihr auch da, Jago? Ihr habt es weit gebracht, daß die Leute ihre Mordthaten auf euern Hals schieben.

Gratiano. Was soll dieses bedeuten?

Aemilia. Wiedersprich diesem Bösewicht, wenn du ein Mann bist; er giebt aus, du habest ihm gesagt, seine Frau sey untreu gewesen: Ich bin gewiß, du hast es nicht gesagt; du bist kein solcher Bube! Rede, mein Herz ist so voll, daß es zerspringen wird.

Jago. Ich sagte ihm was ich dachte; und nicht mehr, als er selbst glaubwürdig und wahr befand.

Aemilia. Aber sagtet ihr ihm jemals, sie sey untreu?

Jago. Ja, das that ich.

Aemilia. So sagtet ihr eine Lüge. eine hassenswürdige, verdammte Lüge; auf meine Seel', eine Lüge; eine verfluchte Lüge. Sie untreu mit Cassio? Sagtet ihr, mit Cassio?

Jago. Mit Cassio, Frau; geht, geht, und laßt euch eure Zunge legen.

Aemilia. Das will ich nicht; ich will, ich muß reden; es ist meine Pflicht, daß ich rede. Meine Frau ligt hier ermordet in ihrem Bette.

Alle. Das wolle der Himmel nicht!

Aemilia. Und eure Ohrenbläsereyen sind der Antrieb zu diesem Mord gewesen.

Othello. Nein, seht nicht so erschroken aus, meine Herren; es ist wahr, es ist würklich so.

Gratiano. Das ist eine verwünschte Wahrheit.

Montano. O ungeheure That!

Aemilia. Büberey! Schändliche versuchte Büberey! Ich seh--ich rieche sie-- Verdammte Büberey!--Ich dachte gleich--O, ich möchte vor Schmerz Hand an mich selbst legen--o Büberey! Büberey!

Jago. Wie, seyd ihr toll? Ich befehls euch, pakt euch heim.

Aemilia. Meine liebe Herren, erlaubt mir daß ich reden darf, ich bin ihm sonst Gehorsam schuldig, aber nicht izt: Vielleicht, Jago, werd' ich nie wieder heim gehen.

Othello. O! O! O!

(Er sinkt auf das Bette.)

Aemilia. Ja, leg dich nur hin, und heule: Du hast die liebenswürdigste Unschuldige umgebracht, die jemals geathmet hat.

Othello (auffahrend.) O, sie war lasterhaft!--Ich erkenn' euch erst izt, Oheim; hier ligt eure Nichte, deren Athem, ich bekenn' es, diese Hände nur eben gestopft haben; ich weiß es, diese That sieht gräßlich aus.

Gratiano. Arme Desdemona! Ich bin froh, daß dein Vater todt ist: Deine Heurath kürzte ihm das Leben ab. Lebte er noch, dieser Anblik würde ihn zur Verzweiflung treiben; ja, er würde seinen guten Engel von seiner Seite wegfluchen, und in Verzweiflung sterben.

Othello. Es ist erbarmenswürdig; aber Jago weiß es, daß sie die schaamvolle That mit Cassio wol tausendmal begangen hat. Cassio hat es eingestanden; und zu Vergeltung seiner Liebes-Proben gab sie ihm das, womit ich ihr das erste Geschenk gemacht hatte; ich sah es in seiner Hand; es war ein Schnupftuch, ein altes Andenken, das mein Vater meiner Mutter gegeben hatte.

Aemilia. O Himmel! O himmlische Mächte!

Jago. Schweig, sag ich dir!

Aemilia. Es muß heraus, es muß heraus--Ich, schweigen? Laßt Engel, Menschen und Teufel, laßt sie alle, alle, alle Schaam über mich schreyen, wenn ich nicht rede.

Jago. Sey klug und geh heim.

(Jago will sein Weib ermorden, und wird zurük gehalten.)

Gratiano. Fy, euern Degen gegen ein Weibsbild!

Aemilia. O du dummer Mohr! Dieses Schnupftuch, wovon du redst, fand ich von ungefehr, und gab es meinem Manne, der mich gar oft aufs inständigste, angelegenste, (mehr, in der That, als eine solche Kleinigkeit werth war,) bat, daß ich es stehlen möchte.

Jago. Verfluchte Hure!

Aemilia. Sie soll es dem Cassio gegeben haben? Weh mir! ich fand es, und gab es meinem Manne!

Jago. Rabenaaß! du lügst.

Aemilia. Beym Himmel! ich lüge nicht; ich lüge nicht, meine Herren; o du meuchelmördrischer Dummkopf! Was sollte ein solcher Narr mit einer so vortreflichen Frau machen?

(Jago bricht los, verwundet seine Frau, und entspringt.)

Othello. Sind keine Donnerkeile mehr im Himmel? Wozu nüzt dann der Donner? Unerhörter Lotterbube!

Gratiano. Sie fällt; er hat sein Weib umgebracht--

Aemilia. Ja, ja; oh, legt mich an meiner Frauen Seite.

William Shakespeare
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