Gratiano. Seine Frau ist ermordet, und er ist entlauffen.

Montano. Das ist ein entsezlicher Bösewicht; nehmt diesen Degen in Verwahrung, damit ihn der Mohr nicht erhasche; kommt, besezt die auswendigen Thüren, laßt ihn nicht durch; tödtet ihn eher; ich selbst will diesem Bösewicht nach; es ist ein verdammter Geselle!

(Montano und Gratiano gehen ab.)

Neunte Scene.

Othello. Ich bin auch nicht mehr tapfer; ein jeder kleiner Klopffechter nimmt mir meinen Degen weg. Aber warum sollte die Ehre die Tugend überleben? Laßt immer alles dahin fahren!

Aemilia. Was bedeutete dein Gesang, meine Gebieterin? Höre, kanst du mich hören? Ich will den Schwanen machen, und singend sterben; (Weide, Weide, Weide--)--Mohr, sie war keusch; sie liebte dich, grausamer Mohr; so sehe mein Geist die Seligkeit, wie ich die Wahrheit rede, und diese Wahrheit--sey mein leztes Wort--

(Sie stirbt.)

Othello. Ich habe noch einen andern Degen in diesem Zimmer, eine Spanische Klinge, mit Wasser aus dem Ebro gestählt; o, hier ist sie: Oheim, ich muß hinaus.

Gratiano (vor der Thüre.) Wenn du es versuchst, wird es dir theuer zu stehen kommen; du hast kein Gewehr, und sollst dich unterwerfen, du magst wollen oder nicht.

Othello. So schau zu mir herein und rede mit mir, oder ich will ohne Gewehr über dich.

(Gratiano kommt herein.)

Gratiano. Was wollt ihr?

Othello. Seht! ich hab ein Gewehr; ein schöneres hieng niemals an eines Soldaten Hüfte. Ich habe den Tag gesehen, da ich mit diesem kleinen Arm, und diesem guten Degen mir durch mehr Hinternisse einen Weg machte, als zwanzig solche Wächter wie ihr seyd. Aber, o eitle Pralerey! Wer kan über sein Schiksal Meister werden? Es ist nun ein anders. Erschreket nicht, ob ihr mich gleich bewaffnet sehet; hier ist das Ende meiner Fahrt, hier ist mein Ziel, die äusserste Marke, die mein leztes Segel noch erreichen kan--tretet ihr erschroken zurük? Es ist eine vergebliche Furcht: Züket nur ein Schilfrohr gegen Othello's Brust, so wird er sich zurükziehen. Wo sollte Othello hin gehen? Nun--

(Er sieht auf Desdemona.)

--Wie siehst du nun aus? Unglükliches Geschöpf! wie bleich! Wenn wir vor Gericht zusammen kommen, wird diese Mine, die du hast, meine Seele vom Himmel herabschleudern, und Teufel werden sie auffangen--Kalt, kalt, mein Mädchen; kalt, wie deine Keuschheit--O verfluchter Sclave! Peitscht mich, ihr bösen Geister, peitscht mich vom Genuß dieses himmlischen Anschauens weg; zerstäubt mich in die Winde, röstet mich in Schwefel, wascht mich in bodenlosen Schlünden von flüssigem Feuer--O Desdemona! Desdemona! todt! todt! oh, oh!

Zehnte Scene. (Lodovico, Cassio, der hereingeführt wird, Montano, Jago gebunden, und einige Officiers, zu den Vorigen.)

Lodovico. Wo ist dieser rasche und höchst unglükliche Mann?

Othello. Das ist der, der einst Othello war, hier bin ich.

Lodovico. Wo habt ihr diese Viper? Bringt den Buben hervor!

Othello. Ich seh ihm auf die Füsse; aber das ist eine Fabel. Wenn du ein Teufel bist, so kan ich dich nicht tödten.

(Othello stößt nach Jago, und verwundet ihn.)

Lodovico. Windet ihm seinen Degen aus den Händen.

Jago. Ich blute, Herr, aber ich lebe noch.

Othello. Auch ist es mir nicht leid; ich will daß du lebest; du verdienst nicht, so glüklich zu seyn und zu sterben.

Lodovico. O du, Othello, einst ein so vortrefflicher Mann--nun in die Fallstrike eines verruchten Sclaven gefallen--was soll man zu dir sagen?

Othello. Wie, was man will; daß ich ein ehrlicher Mörder sey, wenn ihr wollt: Denn was ich that, that ich nicht aus Haß, sondern meine Ehre zu rächen.

Lodovico. Dieser Unselige hat einen Theil seines Bubenstüks eingestanden: Beschlosset ihr und er mit einander, den Cassio zu ermorden?

Othello. Ja.

Cassio. Mein theurer General, ich gab euch niemals Ursache dazu.

Othello. Ich glaub es, und bitte euch um Vergebung: Wollt ihr, ich bitte euch, diesen Halb-Teufel fragen, warum er meinen Leib und meine Seele so verstrikt habe?

Jago. Fragt mich nichts; was ihr wißt, das wißt ihr; von diesem Augenblik an soll kein Wort mehr aus meinem Munde gehen.

William Shakespeare
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