Romeo und Julia

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(Romeo tritt auf.)

ROMEO Mein Vater, guten Morgen!

LORENZO Sei der Herr gesegnet! Wes ist der frühe Gruß, der freundlich mir begegnet? Mein junger Sohn, es zeigt, daß wildes Blut dich plagt, Daß du dem Bett so früh schon Lebewohl gesagt. Die wache Sorge lauscht im Auge jedes Alten, Und Schlummer bettet nie sich da, wo Sorgen walten; Doch da wohnt goldner Schlaf, wo mit gesundem Blut Und grillenfreiem Hirn die frische Jugend ruht. Drum läßt mich sicherlich dein frühes Kommen wissen, Daß innre Unordnung vom Lager dich gerissen. Wie? Oder hätte gar mein Romeo die Nacht --Nun rat ichs besser--nicht im Bette hingebracht?

ROMEO So ists, ich wußte mir viel süßre Ruh zu finden.

LORENZO Verzeih die Sünde Gott! Warst du bei Rosalinden?

ROMEO Bei Rosalinden, ich? Ehrwürdger Vater, nein! Vergessen ist der Nam und dieses Namens Pein.

LORENZO Das ist mein wackrer Sohn! Allein wo warst du? Sage!

ROMEO So hör; ich sparte gern dir eine zweite Frage. Ich war bei meinem Feind auf einem Freudenmahl, Und da verwundete mich jemand auf einmal. Desgleichen tat ich ihm, und für die beiden Wunden Wird heilge Arzenei bei deinem Amt gefunden. Ich hege keinen Groll, mein frommer, alter Freund, Denn sieh, zustatten kommt die Bitt auch meinem Feind.

LORENZO Einfältig, lieber Sohn! Nicht Silben fein gestochen! Wer Rätsel beichtet, wird in Rätseln losgesprochen.

ROMEO So wiss' einfältiglich: Ich wandte Seel und Sinn In Lieb auf Capulets holdselge Tochter hin. Sie gab ihr ganzes Herz zurück mir für das meine, Und uns Vereinten fehlt zum innigsten Vereine Die heilge Trauung nur; doch wie und wo und wann Wir uns gesehn, erklärt und Schwur um Schwur getan, Das alles will ich dir auf unserm Weg erzählen; Nur bitt ich, willge drein, noch heut uns zu vermählen!

LORENZO O heiliger Sankt Franz! Was für ein Unbestand! Ist Rosalinde schon aus deiner Brust verbannt, Die du so heiß geliebt? Liegt junger Männer Liebe Denn in den Augen nur, nicht in des Herzens Triebe? O heiliger Sankt Franz! Wie wusch ein salzig Naß Um Rosalinden dir so oft die Wangen blaß! Und löschen konnten doch so viele Tränenfluten Die Liebe nimmer dir; sie schürten ihre Gluten. Noch schwebt der Sonn ein Dunst von deinen Seufzern vor, Dein altes Stöhnen summt mir noch im alten Ohr, Sieh, auf der Wange hier ist noch die Spur zu sehen Von einer alten Trän, die noch nicht will vergehen. Und warst du je du selbst und diese Schmerzen dein, So war der Schmerz und du für Rosalind allein. Und so verwandelt nun? Dann leide, daß ich spreche: Ein Weib darf fallen, wohnt in Männern solche Schwäche.

ROMEO Oft schmältest du mit mir um Rosalinden schon.

LORENZO Weil sie dein Abgott war, nicht weil du liebtest, Sohn.

ROMEO Und mahntest oft mich an, die Liebe zu besiegen.

LORENZO Nicht um in deinem Sieg der zweiten zu erliegen.

ROMEO Ich bitt dich, schmäl nicht! Sie, der jetzt mein Herz gehört, Hat Lieb um Liebe mir und Gunst um Gunst gewährt. Das tat die andre nie.

LORENZO Sie wußte wohl, dein Lieben Sei zwar ein köstlich Wort, doch nur in Sand geschrieben. Komm, junger Flattergeist! Komm nur, wir wollen gehn; Ich bin aus einem Grund geneigt, dir beizustehn: Vielleicht, daß dieser Bund zu großem Glück sich wendet Und eurer Häuser Groll durch ihn in Freundschaft endet.

ROMEO O laß uns fort von hier! Ich bin in großer Eil.

LORENZO Wer hastig läuft, der fällt; drum eile nur mit Weil.

(Beide ab.)

VIERTE SZENE

(Eine Straße)

(Benvolio und Mercutio kommen.)

MERCUTIO Wo, Teufel, kann der Romeo stecken? Kam er heute nacht nicht nach Hause?

BENVOLIO Nach seines Vaters Hause nicht; ich sprach seinen Diener.

MERCUTIO Ja, dies hartherzge Frauenbild, die Rosalinde, Sie quält ihn so, er wird gewiß verrückt.

BENVOLIO Tybalt, des alten Capulet Verwandter, Hat dort ins Haus ihm einen Brief geschickt.

MERCUTIO Eine Ausforderung, so wahr ich lebe!

BENVOLIO Romeo wird ihm die Antwort nicht schuldig bleiben.

MERCUTIO Auf einen Brief kann ein jeder antworten, wenn er schreiben kann.

William Shakespeare
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