Romeo und Julia

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GRÄFIN CAPULET Ihr seid zu hitzig!

CAPULET Gotts Sakrament, es macht mich toll! Bei Tag, Bei Nacht, spät, früh, allein und in Gesellschaft, Zu Hause, draußen, wachend und im Schlaf, War meine Sorge stets, sie zu vermählen. Nun, da ich einen Herrn ihr ausgemittelt, Von fürstlicher Verwandtschaft, schönen Gütern, Jung, edel auferzogen, ausstaffiert, Wie man wohl sagt, mit ritterlichen Gaben, Kurz, wie man einen Mann sich wünschen möchte, Und dann ein albern, winselndes Geschöpf, Ein weinerliches Püppchen da zu haben, Die, wenn ihr Glück erscheint, zur Antwort gibt: Heiraten will ich nicht, ich kann nicht lieben, Ich bin zu jung, ich bitt, entschuldigt mich.-- Gut, willst du nicht, du sollst entschuldigt sein; Gras', wo du willst, du sollst bei mir nicht hausen. Sieh zu! Bedenk! Ich pflege nicht zu spaßen. Der Donnerstag ist nah: die Hand aufs Herz! Und bist du mein, so soll mein Freund dich haben; Wo nicht, geh, bettle, hungre, stirb am Wege! Denn nie, bei meiner Seel, erkenn ich dich, Und nichts, was mein, soll dir zugute kommen. Bedenk dich! Glaub, ich halte, was ich schwur!

(Ab.)

JULIA Und wohnt kein Mitleid droben in den Wolken, Das in die Tiefe meines Jammers schaut? O süße Mutter, stoß mich doch nicht weg! Nur einen Monat, eine Woche Frist! Wo nicht, bereite mir das Hochzeitsbette In jener düstern Gruft, wo Tybalt liegt!

GRÄFIN CAPULET Sprich nicht zu mir, ich sage nicht ein Wort. Tu, was du willst, denn ich bin mit dir fertig.

(Ab.)

JULIA O Gott! Wie ist dem vorzubeugen, Amme? Mein Gatt auf Erden, meine Treu im Himmel-- Wie soll die Treu zur Erde wiederkehren, Wenn sie der Gatte nicht, der Erd entweichend, Vom Himmel sendet? Tröste, rate, hilf! Weh, weh mir, daß der Himmel solche Tücken An einem sanften Wesen übt wie mir! Was sagst du? Hast du kein erfreuend Wort, Kein Wort des Trostes?

WÄRTERIN Meiner Seel, hier ists: Er ist verbannt, und tausend gegen eins, Daß er sich nimmer wieder her getraut, Euch anzusprechen; oder tät ers doch, So müßt es schlechterdings verstohlen sein. Nun, weil denn so die Sachen stehn, so denk ich, Das beste wär, daß Ihr den Grafen nähmt. Ach, er ist solch ein allerliebster Herr! Ein Lump ist Romeo nur gegen ihn. Ein Adlersauge, Fräulein, ist so grell, So schön, so feurig nicht, wie Paris seins. Ich will verwünscht sein, ist die zweite Heirat Nicht wahres Glück für Euch; weit vorzuziehn Ist sie der ersten. Oder wär sie's nicht? Der erste Mann ist tot, so gut als tot; Denn lebt er schon, habt Ihr doch nichts von ihm.

JULIA Sprichst du von Herzen?

WÄRTERIN Und von ganzer Seele, Sonst möge Gott mich strafen!

JULIA Amen!

WÄRTERIN Was?

JULIA Nun ja, du hast mich wunderbar getröstet. Geh, sag der Mutter, weil ich meinen Vater Erzürnt, so woll ich nach Lorenzos Zelle, Zu beichten und Vergebung zu empfangen.

WÄRTERIN Gewiß, das will ich; Ihr tut weislich dran.

(Ab.)

JULIA O alter Erzfeind, höllischer Versucher! Ists ärgre Sünde, so zum Meineid mich Verleiten, oder meinen Gatten schmähn Mit eben dieser Zunge, die zuvor Viel tausendmal ihn ohne Maß und Ziel Gepriesen hat?-- Seht, wie sie fröhlich aus der Beichte kommt!

(Julia tritt auf.)

CAPULET Nun, Starrkopf? Sag, wo bist herumgeschwärmt?

JULIA Wo ich gelernt, die Sünde zu bereun Hartnäckgen Ungehorsams gegen Euch Und Eur Gebot, und wo der heilge Mann Mir auferlegt, vor Euch mich hinzuwerfen, Vergebung zu erflehn.--Vergebt, ich bitt Euch! Von nun an will ich stets Euch folgsam sein.

CAPULET Schickt nach dem Grafen, geht und sagt ihm dies. Gleich morgen früh will ich dies Band geknüpft sehn.

JULIA Ich traf den jungen Grafen bei Lorenzo, Und alle Huld und Lieb erwies ich ihm, So das Gesetz der Zucht nicht übertritt.

CAPULET Nun wohl, das freut mich, das ist gut.--Steh auf! So ist es recht.--Laßt mich den Grafen sehn. Potztausend, geht, sag ich, und holt ihn her!-- So wahr Gott lebt, der würdge fromme Pater, Von unsrer ganzen Stadt verdient er Dank.

JULIA Kommt, Amme, wollt Ihr mit mir auf mein Zimmer? Mir helfen Putz erlesen, wie Ihr glaubt, Daß mir geziemt, ihn morgen anzulegen?

GRÄFIN CAPULET Nein, nicht vor Donnerstag; es hat noch Zeit.

William Shakespeare
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