Wie viel Glükseligkeiten-- und du erkennst sie nicht? Die Glükseligkeit kleidet dich in ihren schönsten Puz, und wie ein unartiges verdrießliches Mädchen, schielst du dein Glük und deine Liebe mit unzufriednen Bliken an. Nimm dich in acht, nimm dich in acht, solche Leute nehmen meistens ein elendes Ende. Geh, geh zu deiner Geliebten wie es abgeredet war, steig in ihr Zimmer, weg, und tröste sie; aber siehe zu, daß du dich nicht so lange verweilest, bis die Wache aufzieht; sonst könntest du nicht nach Mantua entrinnen, wo du dich so lange aufhalten sollst, bis wir die gelegne Zeit ersehen, eure Heyrath bekannt zu machen, euch mit euern Freunden auszusöhnen, des Prinzen Verzeihung zu erlangen, und dich mit zwanzigtausendmal mehr Freude zurük zu beruffen, als izt der Schmerz ist mit dem du fortgehst. Geh voran, Amme; grüsse mir dein Fräulein, und bitte sie, sie soll machen, daß das ganze Haus fein bald zu Bette komme, wozu die allgemeine Betrübniß sie ohnehin geneigt machen wird. Romeo wird bald nachfolgen.

Amme. O Herre, ich hätte die ganze Nacht hier stehen mögen, um so gescheidte Sachen reden zu hören: O was das ist, wenn man gestudiert ist! Gnädiger Herr, ich will meiner Fräulein sagen, daß ihr kommen werdet.

Romeo. Thu das, und bitte sie, sie soll sich gefaßt machen, mich auszuschelten.

Amme. Hier ist ein Ring, Gnädiger Herr, den sie mir für euch mitgab-- Eilet doch, macht hurtig, es ist schon sehr spät--

Romeo. Wie schnell diese Erwartung meinen Muth wiederaufleben macht!

Bruder Lorenz. Halte dich in Mantua auf; ich will einen zuverläßigen Mann für euch ausfündig machen, der euch von Zeit zu Zeit berichten soll, was für günstige Umstände sich hier für euch ereignen. Gieb mir deine Hand, es ist späte, lebe wohl! Gute Nacht!

Romeo. Rieffe mich nicht Freude über alle Freuden hinweg, wie schmerzlich würde mir dieser schnelle Abschied seyn!

(Sie gehen ab.)

Sechste Scene. (Verwandelt sich in Capulets Haus.) (Capulet, Lady Capulet und Paris treten auf.)

Capulet. Es sind so unglükliche Umstände eingefallen, mein Herr, daß wir keine Zeit gehabt haben, unsrer Tochter zuzureden. Seht ihr, sie liebte ihren Vetter Tybalt gar herzlich, und das that ich auch-- Wohl, wir werden gebohren, um wieder zu sterben--Es ist sehr spät, sie wird diese Nacht nicht herunter kommen; ich versichre euch, wenn mir eure Gesellschaft nicht so lieb wäre, ich würde schon eine Stunde im Bette seyn.

Paris. Ich bescheide mich gerne, daß diese Trauer-Tage keine Zeit zu Liebes-Bewerbungen sind. Gute Nacht, Gnädige Frau--Empfehlt mich eurer Tochter--

Lady Capulet. Ich will, und morgen früh nachforschen, wie sie gesinnt ist--Für diese Nacht ist sie zu ihrer Traurigkeit eingeschlossen.

Capulet. Signor Paris, ich getrau es auf mich zu nehmen, euch meines Kindes Liebe zu versprechen: Ich denke, sie wird sich in allen Stüken von mir regieren lassen--nichts weiter, ich zweifle gar nicht, Frau, geh du noch zu ihr, eh du zu Bette gehst, gieb ihr Nachricht von Signor Paris Liebe, und sag ihr, hörst du, bis nächsten Mittwoch-- aber sachte--was ist heut für ein Tag? --

Paris. Montag, Gnädiger Herr.

Capulet. Montag? Ha, ha, gut, Mittwoch ist zu bald, laßt es den Donnerstag seyn; nächsten Donnerstag, sag ihr, soll sie mit diesem edeln Grafen vermählt werden--Wollt ihr bisdahin fertig seyn? Seyd ihr mit dieser Eilfertigkeit zufrieden?--wir wollen kein grosses Wesen nicht machen--Einen oder zween Freunde--Denn, seht ihr, da Tybalt so kürzlich erst ermordet worden, so würde es so herauskommen, als ob wir wenig Antheil an seinem Unfall nähmen, wenn wir grosse Freuden-Bezeugungen anstellen wollten--Deßwegen wollen wir etwann ein halb Duzend Freunde haben, und damit ist's aus. Aber was sagt ihr zum Donnerstag?

Paris. Gnädiger Herr, ich wollte der Donnerstag wäre Morgen.

Capulet. Gut, gut, geht izt zu Bette--auf Donnerstag sey es also--

(Zu Lady Capulet.)

Du, geh zu Julietten eh du zu Bette gehst, Weib--Bereite sie auf ihren Hochzeit-Tag vor.

William Shakespeare
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