Wenn nun der Bräutigam des Morgens kommt, dich aufzuweken, so bist du todt, und wirst dann, nach dem Gebrauch unsers Landes, in deinem schönsten Anzug in eine Baare ohne Dekel gelegt, und in das Begräbniß deiner Familie gebracht--in eben diese alte Gruft, wo alle Abkömmlinge der Capulets ligen. In der Zwischen-Zeit bis du erwachst, will ich durch Briefe den Romeo von unserm Anschlag benachrichtigen, und ihn hieher beruffen; er und ich wollen dein Erwachen abwarten, und in der nemlichen Nacht soll Romeo dich von hier nach Mantua bringen. Hier hast du das Mittel, das dich von der vorschwebenden Schande, die du fürchtest, retten kan, wenn du frey genug von weibischer Zagheit bist, es mit Entschlossenheit zu gebrauchen.

Juliette. Gieb mirs, o, gieb mir's, sag mir nichts von Furcht.

(Sie nimmt die Phiole.)

Bruder Lorenz. Gut, geh izt, und bleibe standhaft bey diesem Entschluß; ich will eilends einen vertrauten Ordensmann mit Briefen an deinen Gemahl nach Mantua senden.

Juliette. Liebe, gieb mir Stärke, und Stärke wird mir Hülfe geben--Lebet wohl, mein theurer Vater!--

(Sie gehen ab.)

Zweyte Scene. (Verwandelt sich in Capulets Haus.) (Capulet, Lady Capulet, Amme, und zween oder drey Bediente treten auf.)

Capulet. Lade alle Gäste ein, deren Namen auf diesem Papier sind--Du, geh und bestelle mir zwanzig gute Köche.

Bedienter. Ihr sollt keinen schlechten kriegen, Gnädiger Herr, denn ich will probieren, ob sie ihre Finger leken können.

Capulet. Wie willst du das probieren?

Bedienter. Sapperment, Gnädiger Herr, das muß ein schlechter Koch seyn, der seine eigne Finger nicht leken kan; wenn also einer seine Finger nicht leken kan, so soll er daheim bleiben.

Capulet. Geh, geh--Wir werden schlecht genug auf einen solchen Anlaß versehen seyn--He? ist meine Tochter zu Bruder Lorenzen gegangen?

Amme. Ja, wahrlich.

Capulet. Gut; vielleicht kan er etwas gutes bey ihr ausrichten: die unartige, eigensinnige Beze, die sie ist! (Juliette zu den Vorigen.)

Amme. Seht, da kommt sie von der Beichte; sie sieht ganz frölich aus--

Capulet. Was giebts, Starr-Kopf? Wo seyd ihr herumgeschwärmt?

Juliette. Ich war an einem Ort, wo ich die Sünde des Ungehorsams gegen euch und eure Befehle bereuen lernte, und wo mir auferlegt wurde, auf meine Knie zu fallen und euch um Vergebung zu bitten--Vergebet mir also, ich bitte euch; von nun an soll euer Wille allezeit meine Richtschnur seyn.

Capulet. Schikt nach dem Grafen, geht, sagt ihm das; ich will diesen Knoten gleich morgen zusammengeknüpft haben.

Juliette. Ich traf ihn in Bruder Lorenzens Celle an, und begegnete ihm so freundlich als ich konnte, ohne die Grenzen der Anständigkeit zu überschreiten.

Capulet. Gut, das hör' ich gerne, es ist gut, steh auf; es ist wie es seyn soll; ich muß den Grafen sehen--He, zum Henker, geht, sag' ich, und holt ihn her--Nun, bey Gott, dieser Pater ist in der That ein ehrwürdiger heiliger Mann, und ein Mann, dem unsre ganze Stadt viel zu danken hat.

Juliette. Amme, wollt ihr mit mir in mein Zimmer gehen, und mir den Puz aussuchen helfen, den ihr auf den morgenden Tag schiklich findet?

Lady Capulet. Es ist noch Zeit genug bis Donnerstag.

Capulet. Geh, Amme, geh mit ihr; morgen soll die Ceremonie vor sich gehen.

(Juliette und Amme gehen ab.)

Lady Capulet. Aber wo sollen wir auf diese Weise Zeit zu den Vorbereitungen hernehmen? Es ist schon beynahe Nacht.

Capulet. Still, ich will selbst ausgehen, und es soll für alles gesorgt werden, Frau, ich stehe dir davor. Geh du zu Julietten, hilf sie aufpuzen; ich will heute nicht zu Bette gehen, laß mich allein: Ich will einmal in meinem Leben die Hausmutter vorstellen--he! holla!-- Sie sind alle fort; gut, ich will selbst zu Graf Paris gehen, damit er sich auf morgen gefaßt mache. Es ist mir recht leicht um's Herz, seitdem sich das Hexen-Mädchen so zum Ziel gelegt hat.

(Sie gehen ab.)

Dritte Scene. (Juliettens Zimmer.) (Juliette und die Amme treten auf.)

Juliette. Ja, dieser Anzug ist der beste; aber, liebe Amme, ich bitte, laß mich heute Nacht allein; ich werde einen guten Theil davon mit beten zubringen, um den Himmel zu bewegen, daß er mein Vorhaben begünstige--Du kennst meine sündhaften Umstände, und weißst also wol, daß ichs nöthig habe.

William Shakespeare
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