Timon von Athen

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Wenn ich es bezahlen sollte, wie es geschäzt wird, so müßte ich mich zu Grunde richten.

Juweelen-Händler. Gnädiger Herr, es ist so geschäzt wie diejenige, die es verkauffen, es gerne gäben; ihr wißt aber wol, daß Dinge von gleichem Werth, wenn sie ungleiche Eigenthümer haben, nach ihren Besizern geschäzt werden; glaubt mir, Gnädiger Herr, das Juweel würde einen noch grössern Werth erhalten, wenn ihr es trüget.

Timon. Ihr scherzet mit mir, mein guter Mann.

Kauffmann. Nein, Gnädiger Herr, er redt nur die gemeine Sprache, die alle Leute mit ihm reden.

Timon. Seht, wer hier kommt--Wollt ihr ausgescholten seyn?

Dritte Scene. (Apemanthus)* (zu den Vorigen.)

{ed.-* Sehet diesen Character eines Cynikers, sehr fein vom Lucian in seinem Ausruf der Philosophen gezeichnet, und wie gut Shakespear ihn copirt hat. Warbürton.}

Juweelen-Händler. Wir wollen's mit Euer Gnaden theilen.

Kauffmann. Er wird keinen verschonen.

Timon. Guten Morgen, mein angenehmster Apemanthus.

Apemanthus. Warte du auf einen Gegengruß, bis ich angenehm werde.

Poet. Wenn werden wir das Glük haben, das zu erleben?

Apemanthus. Wenn du Timons Hund seyn wirst, und diese Schelmen ehrlich.

Timon. Warum nennst du sie Schelme? Du kennst sie nicht.

Apemanthus. Sind sie nicht Athenienser?

Timon. Ja.

Apemanthus. So nehm' ich mein Wort nicht zurük.

Juweelen-Händler. Ihr kennt mich, Apemanthus.

Apemanthus. Du weißst daß ich dich kenne, ich nannte dich bey deinem Namen.

Timon. Du bist stolz, Apemanthus.

Apemanthus. Auf nichts so sehr, als das ich dem Timon nicht ähnlich bin.

Timon. Wo willt du hin?

Apemanthus. Einem ehrlichen Athenienser das Hirn ausschlagen.

Timon. Das wär' eine That, wofür du sterben müßtest.

Apemanthus. Richtig, wenn das Gesez eine Todesstrafe auf nichts thun sezt.

Timon. Wie gefällt dir dieses Gemählde, Apemanthus?

Apemanthus. Am besten, weil es nichts böses thut.

Timon. Arbeitete der nicht gut, der es mahlte?

Apemanthus. Der arbeitete noch besser, der den Mahler machte; und doch ist er nur ein schlechtes Stük Arbeit.

Mahler. Ihr seyd ein Hund.

Apemanthus. Deine Mutter ist von meinem Stamme; was war sie, wenn ich ein Hund bin?

Timon. Apemanthus, willt du mit mir zu mittagessen?

Apemanthus. Nein, ich esse keine grosse Herren.

Timon. Wenn du es thätest, würden die Damen über dich böse werden.

Apemanthus. O! die verschlingen gar die grossen Herren, und kriegen dike Bäuche davon.

Timon. Das ist ein unzüchtiger Einfall.

Apemanthus. So nimmst du ihn auf; nimm ihn für deine Mühe.

Timon. Wie gefällt dir dieses Juweel, Apemanthus?

Apemanthus. Nicht so wol wie Aufrichtigkeit, die doch einen keinen Heller kostet.

Timon. Wie viel meynst du, daß es werth sey?

Apemanthus. Nicht werth daß ich darauf denke. Wie steht's, Poet?

Poet. Wie steht's Philosoph?

Apemanthus. Du lügst.

Poet. Bist du keiner.

Apemanthus. Ja.

Poet. So lüg' ich nicht.

Apemanthus. Bist du nicht ein Poet?

Poet. Ja.

Apemanthus. So lügst du also: schau in dein leztes Werk; worinn du dichtest, daß er ein würdiger Mann sey.

Poet. Das ist nicht gedichtet, er ist es.

Apemanthus. Ja, er ist deiner würdig, und würdig dich für deine Arbeit zu bezahlen. Wer sich gerne schmeicheln läßt, ist seines Schmeichlers würdig. Götter! möcht' ich nur ein grosser Herr seyn!

Timon. Was wolltest du denn thun, Apemanthus?

Apemanthus. Eben das was Apemanthus izt thut, einen grossen Herrn hassen.

Timon. Wie, dich selbst?

Apemanthus. Ja.

Timon. Warum denn?

Apemanthus. Das ich nicht mehr Verstand hätte, als ein grosser Herr zu seyn-- Bist du nicht ein Kauffmann?

Kauffmann. Ja, Apemanthus.

Apemanthus. Die Handelschaft verderbe dich, wenn es die Götter nicht thun wollen!

Kauffmann. Wenn es die Handelschaft thut, so thun es die Götter.

Apemanthus. Die Handelschaft ist dein Gott, und dein Gott verderbe dich! (Man hört Trompeten. Ein Bote tritt auf.)

Timon. Was für Trompeten sind das?

Bote. Es ist Alcibiades mit etlichen zwanzig Reitern, die ihn begleiten.

William Shakespeare
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