Timon von Athen

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Meine Wunden schmerzen mich um euertwillen.

1. Senator. Trozt ihr unserm Zorn--er braucht wenig Worte, aber die Würkung reicht weit--Wir verbannen dich auf ewig.

Alcibiades. Mich verbannen? Verbannt euern Aberwiz, verbannt den Wucher, die den Senat verachtenswürdig machen!

1. Senator. Wenn nach zween Tagen Athen dich noch enthält, so erwart' unser strengeres Urtheil. Und damit dein unmächtiger Stolz noch mehr aufschwelle, soll er diesen Augenblik hingerichtet werden.

(Sie gehen ab.)

Alcibiades. Die Götter lassen euch alt genug werden, daß ihr nur noch in Knochen lebet, und euer Anblik alle Welt verscheuche! Ich bin mehr als unsinnig; ich habe ihre Feinde von ihnen entfernt gehalten, indessen daß sie ihr Geld gezählt, und auf Wucher ausgeliehen haben; Wunden sind mein ganzer Gewinn dabey--Und alles das für diß? Ist das der Balsam, den der filzichte Senat in eines Feldherrn Wunden gießt? Ha! Verbannung! Doch es kommt nicht ungelegen; ich bin es zufrieden, verbannt zu seyn; es ist mir eine gerechte Ursache, Athen meine Wuth empfinden zu lassen. Ich will meine mißvergnügten Truppen aufmuntern, und alles aufs Spiel sezen. Es ist Ehre einzulegen, wenn man es mit einer überlegnen Anzahl aufnimmt. Soldaten schluken so wenig eine Beleidigung ein, als die Götter.

(Er geht ab.)

Siebende Scene. (Verwandelt sich in Timons Haus.) (Verschiedene Senatoren treten durch verschiedne Thüren auf.)

1. Senator. Guten Tag, mein Herr.

2. Senator. Ebenfalls; ich denke dieser würdige Edelmann sezte uns lezthin nur auf die Probe.

1. Senator. Ich dachte nur eben auch daran. Ich hoffe, es steht nicht so schlimm mit ihm, als er vorgab, wie er seine Freunde auf die Probe sezte.

2. Senator. Es sollte nicht seyn, wenn man von diesem neuen Banket schliessen darf.

1. Senator. Ich kan nicht anders denken; er hat mir eine ernstliche Einladung zugesandt, die ich wegen vieler nothwendiger Geschäfte gerne abgelehnt hätte; allein, er hat mich so anhaltend bitten lassen, daß ich kommen mußte.

2. Senator. Ich befand mich in gleichen Umständen, allein er wollte keine Entschuldigung gelten lassen. Es ist mir leid, daß ich nicht versehen war, wie er um Geld zu mir schikte.

1. Senator. Es verdrießt mich für meinen Theil nicht weniger, da ich nun merke, wie die Sachen stehen.

2. Senator. Es ist keiner hier, dem es nicht eben so ist, wie uns. Wie viel wollt' er von euch entlehnen?

1. Senator. Fünfzig Talente.

2. Senator. Fünfzig Talente?

1. Senator. Wie viel von euch?

2. Senator. Er schikte zu mir--Hier kommt er. (Timon tritt mit seinem Gefolg auf.)

Timon. Von Herzen willkommen, meine Herren beyderseits--und wie steht es?

1. Senator. Aufs allerbeste, da wir gute Zeitungen von Eu. Gnaden hören.

2. Senator. Die Schwalbe folgt dem Sommer nicht williger, als wir Eu. Gnaden.

Timon (bey Seite.) Und verläßt den Winter nicht lieber; solche Sommer-Vögel sind die Menschen--Meine Herren, unsre Mahlzeit wird nicht werth seyn, daß wir so lange drauf warten; Tractirt indessen eure Ohren mit der Musik, wenn Trompeten-Schall nicht eine zu harte Speise für sie ist; wir werden uns gleich sezen können.

1. Senator. Ich hoffe Euer Gnaden werde keinen Unwillen gefaßt haben, daß ich euch einen leeren Boten zurükgeschikt habe.

Timon. O mein Herr, laßt euch das nicht beunruhigen.

2. Senator. Mein edler Lord--

Timon. Ah, mein guter Freund, wie gehts?

(Das Essen wird aufgetragen.)

2. Senator. Mein hochgeehrtester Herr, ich bin ganz krank vor Schaam, daß ich so ein unglüklicher Bettler war, als Euer Gnaden neulich zu mir schikte.

Timon. Denkt nicht an das, mein Herr.

2. Senator. Hättet ihr nur zwo Stunden eher geschikt--

Timon. Laßt euch das nicht von angenehmern Erinnerungen abhalten--He, stellt alles zugleich auf!

2. Senator (zum Ersten.) Lauter bedekte Schüsseln?

1. Senator. Ein Königliches Tractament, ich steh' euch dafür.

3. Senator. Daran ist kein Zweifel, was Geld und die Jahrszeit aufbringen können.

William Shakespeare
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