Timon von Athen

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Es ist die Weide, die des Widders Seiten spikt, und der Mangel, der ihn mager macht. Wo ist der, dem die Aufrichtigkeit seiner eignen unverfälschten Seele den Muth giebt aufzustehen, und zu sagen: Dieser Mann ist ein Schmeichler? Wenn einer es ist, sind es alle; denn jede Stuffe des Glüks findt ihre Schmeichler eine Stuffe niedriger; der gelehrte Kopf bükt sich vor dem goldnen Narren; alles ist krumm, es ist nichts gerades in unsrer verfluchten Natur, als unverbesserliche Büberey. So sey dann alle Gesellschaft und alle Gemeinschaft mit Menschen von mir verabscheut! Alle von seiner Gattung, ja sich selbst hasset Timon. Verderben über das ganze Menschen-Geschlecht!--Erde, gieb mir Wurzeln.

(Er gräbt die Erde auf.)

Wer etwas bessers von dir begehrt, dem würze den Rachen mit deinem würksamsten Gifte!--Was ist hier! Gold! gelbes, blinkendes, feines Gold? Nein, ihr Götter, das verlangt' ich nicht von euch; Wurzeln, gütiger Himmel! Nur so viel von diesem hier ist genug, weiß, schwarz; schön, häßlich; unrecht, recht; niederträchtig, edel; ein altes Gesicht, jung; und eine feige Memme, tapfer zu machen. Ihr Götter, wozu das? warum das? Ihr Götter! wie, das kan eure Priester von eurer Seite loken, und Leute mit frischem Herzen ins Grab befördern; dieser gelbe Sclave kan geheiligte Bündnisse zusammenkütten und auflösen; dem Verfluchten Segnungen, und dem grindigen Aussaz Anbetung zuziehen; Diebe zu Ehrenstellen erheben und ihnen neben den Senatoren, Titel, Kniebeugungen und Beyfall geben: Diß ist's, was die bekümmerte Wittwe wieder freyen macht, und was einer von Geschwüren und Krebsschäden zerfressenen Candidatin des Siechenhauses, durch seine balsamische Kraft die frische Anmuth der Jugendblüthe wieder giebt. Komm, du verdammte Erde, du gemeine Meze des menschlichen Geschlechts, die so viel Lermens unter der Rotte der Nationen macht--

(Man hört von fern einen Marsch.)

Ha, eine Trummel--Du bist sehr lebendig, aber ich will dich doch begraben; wenn deine podagrische Besizer nicht mehr stehen, kanst du noch davon lauffen--Doch nein, bleib noch ein wenig da, ich will dich für Handgeld gebrauchen.

(Er stekt eine Anzahl Goldstüke zu sich.)

Vierte Scene. (Alcibiades zieht auf eine kriegrische Weise mit Trummel und Pfeiffen auf; und Phrynia und Timandra.)

Alcibiades. Wer bist du hier? Sprich!

Timon. Eine Bestie, wie du bist. Daß der Krebs dein Herz dafür durchfresse, daß du mir wieder ein menschliches Gesicht zu sehen giebst!

Alcibiades. Wie ist dein Name? Ist der Mensch dir so verhaßt, und du bist selbst ein Mensch?

Timon. Ich bin Misanthropos, und hasse das menschliche Geschlecht. Was dich betrift, so wünscht' ich, du wär'st ein Hund, damit ich dich ein wenig lieben könnte.

Alcibiades. Ich kenne dich wol; aber was für Unfälle dir zugestossen seyn müssen, davon weiß ich nichts.

Timon. Ich kenne dich auch, und verlange nicht mehr von dir zu wissen, als ich weiß; zieh deiner Trummel nach, färbe den Boden mit Menschen- Blut; roth, roth;--Religions-Gebräuche, bürgerliche Geseze sind grausam, was soll dann der Krieg seyn? Diese faule Meze hier hat mit allen ihren Cherubin-Bliken mehr Zerstörung in sich als dein Schwerdt.

Phrynia. Daß dir die Lippen verfaulen!

Timon. Das könnte nur begegnen wenn ich dich küßte, und das will ich nicht.

Alcibiades. Wie kam der edle Timon zu diesem Wechsel?

Timon. Wie der Mond, weil er kein Licht mehr zu geben hatte; aber ich konnte mich nicht wieder erneuern wie der Mond, denn es waren keine Sonnen da, von denen ich hätte borgen können.

Alcibiades. Edler Timon, was für Freundschaft kan ich dir erweisen?

Timon. Keine, als mich in meiner Meynung zu bestärken.

Alcibiades. Was ist diese, Timon?

Timon. Mir Freundschaft zu versprechen, und keine zu halten. Wenn du mir keine versprechen willst, so verderben dich die Götter! denn du bist ein Mensch; und wenn du sie hältst, so sollen sie dich gleichfalls verderben, denn du bist ein Mensch.

Alcibiades. Es sind mir einige verworrne Nachrichten von deinen Unglüksfällen zu Ohren gekommen.

William Shakespeare
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