Timon von Athen

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Verstopfe deine fruchtbare gern empfangende Schooß; laß sie nichts mehr für den undankbaren Menschen hervorbringen. Geh nur mit Tygern, Drachen, Wölfen und Bären schwanger; schwill von neuen Ungeheuern auf, die dein emporgerichtetes Antliz dem umwölbenden Himmel nie gezeigt hat!--O! eine Wurzel--habet Dank, ihr Götter!--trokne deine lokern Adern auf, und deine vom Pflug zerrißne Schollen, aus denen der undankbare Mensch diese geistigen Säfte und diese niedlichen Bissen zieht, die sein reines Gemüth mit einem Fett umgeben, woran alle Betrachtung abglitscht.

Sechste Scene.

Timon (zu Apemanthus.) Wieder ein Mensch? Pest! Pest!

Apemanthus. Ich bin hieher gewiesen worden. Die Leute sagen, du massest dich an, meine Lebensart nachzuahmen.

Timon. So muß es deßwegen seyn, weil du keinen Hund hältst, den ich nachahmen könnte. Daß du die Schwindsucht kriegtest!

Apemanthus. Es ist an dir nur etwas erzwungnes, eine arme unmännliche Melancholey, die bloß aus dem Wechsel deines Glüks entsprungen ist. Wozu dieses Grabscheit? Warum in diesem Walde? Warum dieser sclavenmässige Aufzug? Und diese kummervolle Blike? Deine Schmeichler tragen indessen Seide, trinken Wein, ligen weich, schwimmen in lieblichen Gerüchen, und haben vergessen, daß jemals ein Timon war. Entehre diese Kleidung nicht, die dir das Ansehen und die Vorrechte eines Censors geben soll. Sey du izt ein Schmeichler, versuch' es, dich nun durch eben dieses fortzubringen, was dich zu Grunde gerichtet hat; beuge deine Knie, und laß den blossen Athem dessen, dem du aufwartest, deine Müze vom Kopf herabwehen; erhebe seine lasterhaftesten Ausschweiffungen, und nenne sie vortreflich. So redte man mit dir; und du gabst deine Ohren dazu her, den Bierwirthen ähnlich, die Schelmen und alles was zu ihnen kommt willkommen heissen. Es ist höchst billig, daß du ein Spizbube werdest; hättest du noch Vermögen, so würden Spizbuben es haben. Affectire keine Gleichheit mit mir, sag ich dir!

Timon. Wenn ich dir gleich wäre, ich wollte mich selbst wegwerfen.

Apemanthus. Du hast dich selbst weggeworffen, da du dir selbst gleich warst; so lang' ein Unsinniger, izt ein Narr! Wie? denkst du, die kalte Luft, dein ungestümer Kammerherr, werde dir ein warmes Hemde reichen? Meynst du, diese bemooßten Bäume, die den Adler überlebt haben, werden wie Pagen hinter dir hertreten, und dir auf einen Wink zulauffen? Wird der kalte, mit Eis candirte Bach dir ein Cordial zum Frühstük geben, um die Unverdaulichkeit der gestrigen Nachtmahlzeit zu verbessern? Ruffe den nakten Geschöpfen, die der rauhen Witterung, und den kämpfenden Elementen ihre unverwahrten Rümpfe entgegen bieten; befiehl ihnen, dir zu schmeicheln; o, du wirst finden --

Timon. Daß du ein Narr bist; zieh' ab.

Apemanthus. Du bist mir izt lieber als jemals.

Timon. Und du mir desto verhaßter.

Apemanthus. Warum?

Timon. Du schmeichelst der Dürftigkeit.

Apemanthus. Ich schmeichle nicht; ich sage nur, daß du ein elender Tropf bist.

Timon. Warum suchst du mich auf?

Apemanthus. Um dich zu scheeren.

Timon. Das ist immer die Verrichtung eines Bösewichts, oder eines Narren. Däucht sie dir kurzweilig?

Apemanthus. Ja.

Timon. Was für ein Schurke du bist!

Apemanthus. Wenn du diesen schwermüthigen kalten Habit angezogen hättest, deinen Stolz zu züchtigen, so hättest du wol daran gethan; aber du thust es aus Noth; du würdest ein Stuzer seyn, wenn du nicht ein Bettler wärest. Freywillige Armuth überlebt ungewisses Wohlleben; dieses wird immer gefüllt und doch nie voll, jene erreicht ihren höchsten Wunsch auf einmal; der glüklichste Stand ist mißvergnügt, der elendeste zufrieden. (Du) solltest zu sterben wünschen, weil du in einem so armseligen Zustand bist.

Timon. Nicht weil mir's einer sagt, der noch armseliger ist. Du bist ein Sclave, den das Glük nie mit zärtlichen Armen an ihre Brust drükte; sondern zu einem Hund gebohren. Wärest du wie wir, von der ersten Stuffe des Lebens an, durch alle die angenehmen Grade von Glükseligkeit fortgeschritten, die diese kurze Welt denjenigen gewährt, die sich nur besinnen dürfen, was sie von allen ihren Waaren haben wollen: Du hättest dich in dem diksten Schlamm der Lüderlichkeit herumgewälzt, deine Jugend in den schändlichsten Ausschweiffungen verschwendet, und nimmermehr die kalten Vorschriften der Mässigung und des Wohlstands beobachten gelernt, sondern würdest dem verzükerten Spiel vor dir her blindlings nachgeloffen seyn.

William Shakespeare
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