Timon von Athen

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Wärst du das Einhorn, so würde dich Stolz und Grimm verderben, und in Ermanglung eines andern würdest du die Beute deiner eignen Wuth werden. Wärst du ein Bär, so würde dich das Roß tödten; wärst du ein Roß, so würde dich der Leopard ergreiffen; wärst du ein Leopard, so wärst du des Löwen Vetter, und deine Fleken würden deine eigne Verwandten gegen dein Leben aufhezen. Alle deine Sicherheit wär' in Entfernung, und dein Schuz in der Abwesenheit eines Feindes. Was für ein Thier könntest du seyn, das nicht einem Thier unterworffen wäre? Und was für ein Stük Vieh bist du izt schon, daß du nicht siehst, wie viel du bey der Verwandlung verliehren würdest?

Apemanthus. Wenn du mir durch irgend ein Gespräch gefallen könntest, so hättest du es izt getroffen. Das gemeine Wesen von Athen ist ein Wald von Thieren worden.

Timon. Wie ist dann der Esel durch die Mauern gebrochen, daß du ausser der Stadt bist?

Apemanthus. Dort kommt ein Poet und ein Mahler; die Pest der menschlichen Gesellschaft falle auf dich! Ich besorge, daß sie mich ansteken möchte, und will mich mit der Flucht retten. Wenn ich sonst nichts zu thun weiß, will ich dich wieder sehen.

Timon. Wenn sonst nichts lebendiges mehr ist als du, sollt du mir willkommen seyn.

Apemanthus. Du bist das Oberhaupt von allen iztlebenden Narren.

Timon. Ich wollte, du wärest sauber genug, daß ich auf dich speyen könnte. Daß du die Kränke hättest!

Apemanthus. Du bist ein zu schlechter Kerl, als daß du jemandem fluchen könntest.

Timon. Alle Galgenschwengel werden rein, wenn sie neben dir stehen.

Apemanthus. Es ist sonst kein Aussaz, als was du redst.

Timon. Wenn ich dich nenne--Prügeln will ich dich; doch, ich würde nur meine Hände kräzicht machen.

Apemanthus. Ich wollte, meine Zunge könnte machen, daß sie abfaulten.

Timon. Weg, du Gezücht eines räudigen Hunds. Ich sterbe vor Zorn, daß du in der Welt bist; ich fall' in Unmacht, wenn ich dich ansehe.

Apemanthus. Daß du bersten möchtest?

Timon. Hinweg, du verabscheuter Raker; ich fürchte, du treibst mir einen H*d*n ab.

Apemanthus. Vieh!

Timon. Sclave!

Apemanthus. Kröte!

Timon. Lumpenhund, Lumpenhund, etc.

(Apemanthus zieht sich zurük, als ob er gehe.)

Ich bin dieser falschen Welt überdrüssig, und will nichts in ihr lieben, als ihre blossen Nothwendigkeiten. So zögre dann nicht, Timon, dir dein Grab zu machen, dort, wo der leichte Meerschaum deinen Grabstein täglich schlagen soll; mache deine Grabschrift, daß der Tod in mir über andrer Leben lache.

(Er sieht auf das Gold, das zu seinen Füssen ligt.)

O du angenehmer Königs-Mörder! du werthe Scheidung zwischen dem leiblichen Sohn und seinem Vater! du schimmernder Besudler von Hymens keuschestem Bette! du dapfrer Mars! du immer junger, frischer, beliebter, und reizender Buhler, dessen Röthe den geheiligten Schnee, der auf Dianens Schooß ligt, zerschmelzt! Du sichtbarer Gott, der Unmöglichkeiten zusammenfügt, und einander küssen macht! der jede Sprache zu jeder Absicht reden kan! O du Probstein der Herzen; denke, dein Sclave, der Mensch, empöre sich wider dich, und seze sie durch deine Macht in eine so zerrüttende Zwietracht, bis die Herrschaft über die Welt den Thieren bleibt.

Apemanthus. Ich wollt' es wäre so, aber nicht eher, als bis ich todt bin! Ich will sagen, du habest Gold; was für einen Zulauff, du augenbliklich bekommen wirst!

Timon. Einen Zulauf?

Apemanthus. Ja.

Timon. Deinen Rüken, ich bitte dich.

Apemanthus. Leb' und liebe dein Elend!

Timon. Leb lange so und stirb so! Ich bin quitt.

Apemanthus. Schau, mehr Dinge die wie Menschen aussehen--iß, Timon, und verabscheue sie.

(Apemanthus geht ab.)

Siebende Scene. (Die Diebe treten auf.)

1. Dieb. Wo mag er wol sein Geld haben? Es wird irgend ein armseliges Fragment, irgend ein übriges Bißchen sein, das er noch davon gebracht hat. Nichts anders, als der Mangel an Geld, und der Undank seiner Freunde, hat ihn zu dieser Melancholey gebracht.

2. Dieb. Das Gerücht geht, er hab' einen Schaz gefunden.

William Shakespeare
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