Timon von Athen

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Mahler. So sagt man, mein edler Lord; allein deßwegen kam ich und mein Freund nicht hieher.

Timon. Guter ehrlicher Mann; du mahlst das beste Portrait unter allen Mahlern in Athen; du bist, in der That, der beste; du mahlst vortreflich nach dem Leben.

Mahler. So, so, Gnädiger Herr.

Timon. Eben so, mein Herr, wie ich sagte.

(Zum Poet.)

Und was deine Gedichte betrift, deine Verse fliessen so voll und lieblich, daß du in deiner Kunst eben so natürlich bist. Allein eben darum, meine ehrlich-gesinnten Freunde, muß ich euch sagen, ihr habt einen kleinen Fehler; der aber in der That euch nicht sehr entstellt; auch wünscht' ich nicht, daß ihr euch grosse Mühe gäbet, ihn zu verbessern.

Beyde. Wir bitten Euer Gnaden ihn uns bekannt zu machen.

Timon. Ihr möchtet es übel aufnehmen.

Beyde. Mit höchstem Dank, Gnädiger Herr.

Timon. Ist das euer Ernst?

Beyde. Zweifelt nicht daran, Milord.

Timon. Es ist niemals einer von euch allein, ohne sich einem Spizbuben anzuvertrauen, der euch gewaltig hinter's Licht führt.

Beyde. Thun wir das, Gnädiger Herr?

Timon. Das thut ihr, und ihr hört seine Schmeicheleyen; seht wie er sich verstellt, kennt seine groben Schelmstüke, und doch liebt ihr ihn, gebt ihm zu essen, und tragt ihn in euerm Busen; aber seyd versichert, er ist ein ausgemachter Spizbube.

Mahler. Ich kenne keinen solchen, Gnädiger Herr.

Poet. Noch ich.

Timon. Schaut ihr, ihr seyd mir lieb, ich will euch Gold geben, wenn ihr mir diese Schelmen aus eurer Gesellschaft ausstossen wollt; hängt sie oder erstecht sie, gebt ihnen Gift ein, oder schaft sie sonst auf eine Art aus der Welt, und kommt wieder zu mir, so will ich euch Gold genug geben.

Beyde. Nennet sie, Gnädiger Herr, wir möchten sie kennen.

Timon. Geht ihr auf diese Seite, und ihr auf diese--Aber es sollte jeder allein seyn--wenn jeder von euch ganz allein und einzeln ist, so hält ihm doch ein Erz-Spizbube Gesellschaft.

(Zum Mahler.)

Wenn da wo du bist, nicht zween Spizbuben seyn sollen, so komm ihm nie zu nah--

(Zum Poet.)

Wenn du nirgends seyn willt, als wo nur ein Spizbube ist, so verlaß ihn. Fort, pakt euch, hier ist Gold;

(Er giebt ihnen Schläge.)

ihr kamet um Gold zu kriegen, ihr Sclaven; ihr habt Arbeit für mich;--hier ist eure Bezahlung--Fort--Ihr seyd ein Alchymist, macht Gold aus diesem; fort, ihr Lumpenhunde!

(Er prügelt sie, und jagt sie fort.)

Dritte Scene. (Flavius und zween Senatoren treten auf.)

Flavius. Es ist umsonst, wenn ihr den Timon sprechen wollt; denn er ist so gänzlich auf sich allein eingeschränkt, daß er nichts was einem Menschen gleich sieht, ausser sich selbst, um sich leiden kan.

1. Senator. Führt uns zu seiner Höle; es ist unser Auftrag, und wir haben uns den Atheniensern dazu verpflichtet, mit Timon zu reden.

2. Senator. Die Menschen sind nicht zu allen Zeiten gleich; Umstände und Kummer haben ihm diesen Humor gegeben; die Zeit, die ihm nun die Glükseligkeiten seiner ehmaligen Tage wieder anbietet, kan ihn wieder zu dem vorigen Mann machen; führt uns zu ihm, es mag gehen wie es will.

Flavius. Hier ist seine Höle! Fried' und Zufriedenheit wohne hier, Lord Timon! Timon, schaue heraus, und rede mit Freunden; die Athenienser grüssen dich durch zwey Mitglieder ihres höchst ehrwürdigen Senats; rede mit ihnen, edler Timon. (Timon kommt aus seiner Höle heraus.)

Timon. Du Sonne, anstatt zu erquiken, brenne!--Redet, und dann geht an den Galgen! wenn ihr für jedes wahre Wort eine Blatter kriegtet, und für jedes falsche bis auf die Wurzel eurer Zunge gebrannt würdet, so würd' euer Vortrag nicht lange dauern.

1. Senator. Würdiger Timon--

Timon. Ja, solcher Leute würdig wie ihr seyd, und ihr des Timons.

2. Senator. Die Senatoren von Athen grüssen dich, Timon.

Timon. Ich dank' ihnen, und wollt' ihnen die Pest dafür zurük schiken, wenn ich sie kriegen könnte.

1. Senator. O vergiß dessen, an was wir selbst ohne Schaam und Kummer nicht denken können; die Senatoren ruffen dich mit einhelliger Freundschaft nach Athen zurük, und sind darauf bedacht, dich mit den ansehnlichsten Ehrenstellen zu überhäuffen, die für dich erledigt ligen.

William Shakespeare
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