Was ihr wollt

Page 04

Wenn dieser einfältige Syllogismus die Sache ausmacht, wol gut; wo nicht, was ist zu thun? Gleichwie kein andrer wahrer Hahnrey ist als Elend; so ist Schönheit eine vergängliche Blume: Die Gnädige Frau sagte, man solle den Narren wegschaffen, also sag ich noch einmal, schafft sie weg.

Olivia. Sir, ich befahl daß man euch wegschaffen sollte.

Narr. Mißverstand im höchsten Grade Gnädiges Fräulein, (cucullus non facit monachum;) das ist auf Deutsch: Mein Hirn sieht nicht so buntschekicht aus als mein Rok: Liebe Madonna, wollt ihr mir erlauben, euch zu beweisen, daß ihr eine Närrin seyd?

Olivia. Wie willt du das machen?

Narr. Gar geschikt, gute Madonna.

Olivia. Nun, so beweise dann.

Narr. Ich muß euch vorher catechisieren, Madonna, wenn ihr mir antworten wollt.

Olivia. Gut, Sir, so schlecht der Zeitvertrieb ist, so wollen wir doch euern Beweis hören.

Narr. Gute Madonna, warum traurest du?

Olivia. Um meinen Bruder, guter Narr.

Narr. Ich denke, seine Seele ist also in der Hölle, Madonna?

Olivia. Ich weiß, seine Seele ist im Himmel, Narr.

Narr. Eine desto grössere Närrin seyd ihr, Madonna, dafür zu trauern, daß euer Bruder im Himmel ist; schaft mir die Närrin weg, meine Herren.

Olivia. Was denkt ihr von diesem Narren, Malvolio? Verbessert er sich nicht?

Malvolio. Ja, und wird sich verbessern bis ihm die Seele ausgehen wird. Zunehmende Jahre machen den vernünftigen Mann abnehmen, und verbessern hingegen den Narren, weil er je älter je närrischer wird.

Narr. Gott send' euch ein frühzeitiges Alter, Herr, um eure Narrheit desto bälder zu ihrer Vollkommenheit zu bringen! Sir Tobias würde schwören wenn man's verlangte, daß ich kein Fuchs sey; aber er würde sich nicht für zwey Pfenninge verbürgen, daß ihr kein Narr seyd.

Olivia. Was sagt ihr hiezu, Malvolio?

Malvolio. Mich wundert, wie Eu. Gnaden an einem so abgeschmakten Schurken ein Belieben finden kan; ich sah ihn erst gestern von einem alltäglichen Narren, der nicht mehr Hirn hatte als ein Stein, zu Boden gelegt. Seht nur, er weiß sich schon nicht mehr zu helfen; wenn ihr nicht vorher schon lacht, und ihm die Einfälle die er haben soll auf die Zunge legt, so steht er da, als ob er geknebelt wäre. Ich versichre, diese gescheidte Leute, die über die albernen Frazen dieser Art von gedungenen Narren so krähen können, sind in meinen Augen die Narren der Narren.

Olivia. O, ihr seyd am Eigendünkel krank, Malvolio, und habt einen ungesunden Geschmak. Edelmüthige, schuldlose und aufgeräumte Leute sehen diese Dinge für Vögel-Schrot an, die euch Canon-Kugeln scheinen; ein Narr von Profeßion kan niemand beschimpfen, wenn er gleich nichts anders thut als spotten; so wie ein Mann von bekannter Klugheit niemals spottet, wenn er gleich nichts anders thäte als tadeln. (Maria zu den Vorigen.)

Maria. Gnädige Frau, es ist ein junger Herr vor der Thüre, der ein grosses Verlangen trägt, mit Euer Gnaden zu sprechen.

Olivia. Von dem Grafen Orsino, nicht wahr?

Maria. Ich weiß es nicht, Gnädige Frau, er ist ein hübscher junger Mann, und er macht Figur.

Olivia. Wer von meinen Leuten unterhält ihn?

Maria. Sir Tobias, Gnädige Frau, euer Öhm.

Olivia. Macht daß ihr ihn auf die Seite bringt, ich bitte euch; er spricht nichts als tolles Zeug; der garstige Mann! Geht ihr, Malvolio; wenn es eine Gesandschaft vom Grafen ist, so bin ich krank oder nicht bey Hause: Sagt was ihr wollt, um seiner los zu werden.

(Malvolio geht ab.)

Ihr seht also, Sir, eure Narrheit wird alt und gefällt den Leuten nicht mehr.

Narr. Du hast unsre Parthey genommen, Madonna, als ob dein ältester Sohn zu einem Narren bestimmt wäre; Jupiter füll' ihm seinen Schedel mit Hirn aus! Hier kommt einer von deiner Familie, der eine sehr schwache (pia mater) hat--

Achte Scene. (Sir Tobias zu den Vorigen.)

Olivia. Auf meine Ehre, halb betrunken. Wer ist vor der Thür, Onkel?

Sir Tobias. Ein Edelmann.

Olivia. Ein Edelmann? Was für ein Edelmann?

Sir Tobias. Ein Mutter-Söhnchen, dem Ansehen nach--der Henker hole diese Pikelhäringe! Was machst du hier, Dumkopf?

Narr. Guter Sir Toby--

Olivia. Onkel, Onkel, wie kommt ihr schon so früh zu dieser Lethargie?

Sir Tobias. Es ist einer vor der Pforte, sag ich.

William Shakespeare
Classic Literature Library

All Pages of This Book