Darum hütet Euch vor meinem Urteil und haltet Euer Versprechen.

Orlando. So heilig, als wenn du wirklich meine Rosalinde wärst. Leb denn wohl!

Rosalinde. Gut, die Zeit ist der alte Richter, der solche Verbrecher ans Licht zieht, und die Zeit muß es ausweisen. Lebt wohl!

(Orlando ab.)

Celia. Du hast unserm Geschlecht in deinem Liebesgeschwätz geradezu übel mitgespielt. Wir müssen dir Hosen und Wams über den Kopf ziehn, damit die Welt sieht, was der Vogel gegen sein eignes Nest getan hat.

Rosalinde. O Mühmchen! Mühmchen! Mühmchen! mein artiges kleines Mühmchen! wüßtest du, wieviel Klafter tief ich in Liebe versenkt bin! Aber es kann nicht ergründet werden; meine Zuneigung ist grundlos wie die Bucht von Portugal.

Celia. Sag lieber, bodenlos: soviel Liebe du hineintust, sie läuft alle wieder heraus.

Rosalinde. Nein, der boshafte Bastard der Venus, der vom Gedanken erzeugt, von der Grille empfangen und von der Tollheit geboren wurde, der blinde schelmische Bube, der jedermanns Augen betört, weil er selbst keine mehr hat: der mag richten, wie tief ich in der Liebe stecke.--Ich sage dir, Aliena, ich kann nicht ohne Orlandos Anblick sein; ich will Schatten suchen und seufzen, bis er kommt.

Celia. Und ich will schlafen.

(Beide ab.)

Zweite Szene

Ein anderer Teil des Waldes

(Jacques und Edelleute des Herzogs in Jägerkleidung treten auf)

Jacques. Wer ist's, der den Hirsch erlegt'?

Erster Edelmann. Ich tat es, Herr.

Jacques. Laßt uns ihn dem Herzog vorstellen, wie einen römischen Eroberer, und es schickte sich wohl, ihm das Hirschgeweih wie einen Siegeskranz aufzusetzen. Habt ihr kein Lied, Jäger, auf diese Gelegenheit?

Zweiter Edelmann. O ja, Herr.

Jacques. Singt es; es ist gleichviel, ob Ihr Ton haltet, wenn es nur Lärm genug macht.

Lied. (Erste Stimme.) Was kriegt er, der den Hirsch erlegt? (Zweite Stimme.) Sein ledern Kleid und Horn er trägt. (Erste Stimme.) Drum singt ihn heim: Ohn allen Zorn trag du das Horn; Ein Helmschmuck war's, eh du geborn.

(Dieser Zuruf wird im Chor von den übrigen wiederholt.)

(Erste Stimme.) Deins Vaters Vater führt' es. (Zweite Stimme.) Und deinen Vater ziert' es. (Alle.) Das Horn, das Horn, das wackre Horn Ist nicht ein Ding zu Spott und Zorn.

(Ab.)

Dritte Szene

(Rosalinde und Celia treten auf)

Rosalinde. Was sagt Ihr nun? Ist nicht zwei Uhr vorbei? Und kein Orlando zu sehen!

Celia. Ich stehe dir dafür, mit reiner Liebe und verwirrtem Gehirn hat er seinen Bogen und Pfeile genommen und ist ausgegangen--zu schlafen. Seht, wer kommt da?

(Silvius tritt auf.)

Silvius. An Euch geht meine Botschaft, schöner Jüngling. Dies hieß mich meine Phöbe übergeben; Ich weiß den Inhalt nicht; doch, wie ich riet Aus finstrer Stirn und zorniger Gebärde, Die sie gemacht hat, während sie es schrieb, So muß es zornig lauten; mir verzeiht, Denn ich bin schuldlos, Bote nur dabei.

Rosalinde. Bei diesem Briefe müßte die Geduld Selbst sich empören und den Lärmer spielen; Wer das hier hinnimmt, der nimmt alles hin. Sie sagt, ich sei nicht schön, sei ungezogen, Sie nennt mich stolz, und könne mich nicht lieben, Wenn Männer selten wie der Phönix wären. Ihr Herz ist auch der Hase, den ich jage. Potz alle Welt! was schreibt sie so an mich? Hört, Schäfer, diesen Brief habt Ihr erdacht.

Silvius. Nein, ich beteur', ich weiß vom Inhalt nicht. Sie schrieb ihn selbst.

Rosalinde. Geht, geht! Ihr seid ein Narr, Den Liebe bis aufs Äußerste gebracht. Ich sah wohl ihre Hand: sie ist wie Leder, 'ne sandsteinfarbne Hand; ich glaubte in der Tat, Sie hätte ihre alten Handschuh an, Doch waren's ihre Hände--sie hat Hände Wie eine Bäurin--doch das macht nichts aus; Ich sage, nie erfand sie diesen Brief, Hand und Erfindung ist von einem Mann.

Silvius. Gewiß, er ist von ihr.

Rosalinde. Es ist ein tobender und wilder Stil, Ein Stil für Raufer; wie ein Türk dem Christen, So trotzt sie mir. Ein weibliches Gehirn Kann nicht so riesenhafte Dinge zeugen, So äthiopsche Worte schwärzern Sinns, Als wie sie aussehn.--Wollt Ihr selber hören?

Silvius. Wenn's Euch beliebt; noch hört ich nicht den Brief, Doch schon zuviel von Phöbes Grausamkeit.

William Shakespeare
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