Hätte ich deine Sitten gehabt, hätt' ich in den Augen der Welt mich so gemein und verächtlich gemacht, durch eine so pöbelhafte Gesellschaft mir selbst meinen Werth benommen; die Meynung, die mir zur Crone half, würde dem vorigen Besizer treu geblieben seyn, und mich in ruhmloser Verbannung, unbemerkt und in der Menge des verdienstlosen Hauffens, verlohren, vergessen haben. Aber da ich selten gesehen wurde, erschien ich niemals, ohne wie ein Comet, jedes Aug' auf mich zu ziehen. Die Väter sagten dann zu ihren Kindern: Diß ist er! Wo, wo? fragten andre; welcher ist Bolingbroke? Und dann stahl ich, wie ein andrer Prometheus, diese huldreiche Leutseligkeit vom Himmel, dieses göttliche Feuer, wodurch die Könige die Liebe ihrer Unterthanen nähren, entzog die Herzen des Volks durch die Demuth, in die ich mich einkleidete, ihrem Oberherrn, und empfieng lautes Zujauchzen und frolokende Grüsse, selbst in der Gegenwart des gekrönten Königs. Auf diese Art erhielt ich mich immer frisch und neu in den Augen der Menge; und meine Gegenwart, mit desto größrer Pracht begleitet, je seltner sie war, schien jedesmal ein öffentliches Fest, das mit allgemeinen Freuden-Zeichen gefeyrt wurde. Der hüpfende König trabte indeß in einer Gesellschaft von Hofnarren und schaalen Wizlingen, (wie dürre Reiser gleich angezündt und gleich verbrennt), auf und nieder, vergab seine Königliche Würde, mengte sich unter unbärtige Spaßvögel und Geken, und erlaubte ihnen seine Majestät durch Scherze und unanständige Vertraulichkeit zu entweihen; er ließ sich, wie die gemeinsten Pflastertreter, in allen Gassen sehen, und sättigte die Leute durch seinen täglichen Anblik so sehr, bis er ihnen ekelhaft wurde. Mußte er sich hernach bey öffentlichen Anläsen sehen lassen, so ward er nur, wie der Gukguk im Brachmonat, gehört, nicht geachtet; geseh'n, aber mit dem nachläßigen Blik, der über einen alltäglichen Gegenstand hinweggleitet; nicht mit dem weitoffnen wundervollen Auge, das auf die sonnengleiche Majestät geheftet wird, wenn sie selten aus ihrer Verhüllung hervorglänzt; sondern mit schläfrigen, gesenkten Augliedern, mit dem düstern verdrießlichen Blik, den man auf einen Feind wirft, von dessen Gegenwart man belästigt, gedrükt und überfüllt wird. Und in eben dieser Linie, Harry, stehst du. Du hast deine fürstliche Vorrechte verlohren, indem du dich niederträchtiger Gesellschaft Preiß gegeben hast. Nicht ein einziges Auge, das nicht deines alltäglich gewordnen Anbliks überdrüßig ist; das meinige ausgenommen, das dich zu sehen verlangt hat, und nun, wider meinen Willen, von den Zeichen einer allzugrossen Zärtlichkeit überfließt.

Prinz Heinrich. Ich werde mich beeifern, mein gnädigster Herr, künftig mehr ich selbst zu seyn.

König Heinrich. Um alles in der Welt, was du in dieser Stunde bist, war Richard damals da ich aus Frankreich zu Ravenspurg ans Land sezte, und gerade was ich damals war, ist Percy izt. Bey meinem Scepter und bey meiner Seele! er hat mehr würklichen Antheil am Staat, als du, der künftige Thronfolger. Ohne Recht, ohne den Schatten eines Rechts füllt er die Felder mit Harnischen, erhebt sein Haupt gegen des Löwen gewafnete Tazen, und, ob er gleich nicht älter ist als du, führt er doch bejahrte Helden und ehrwürdige Bischöffe zu blutigen Schlachten an. Was für eine unsterbliche Ehre hat er an dem ruhmvollen Dowglas eingelegt, dessen grosse Thaten und seltne Kriegs-Erfahrenheit ihm den Namen des größten Feldherrn in allen Christlichen Königreichen erworben haben? Dreymal hat dieser Hot- Spur, dieser Kriegs-Gott in Windeln, dieser unmündige Held, den grossen Douglas in offner Schlacht überwunden, einmal ihn sogar gefangen genommen, aber wieder in Freyheit gesezt, und einen Freund aus ihm gemacht, um mit seinem Beystand den Frieden und die Sicherheit unsers Throns zu erschüttern. Und was sagst du hiezu? Percy, Northumberland, der Erzbischoff von York, Douglas und Mortimer, haben einen Bund gegen uns gemacht, und empören sich-- Aber wem, und wozu erzähl' ich diese Neuigkeiten? Wie, Harry, muß ich vielleicht dich selbst, den nächsten an meinem Herzen und an meinem Thron, auch dich, unter meine Feinde zählen? Du bist fähig genug, aus unterwürfiger feiger Niederträchtigkeit, oder einem Anstoß von Spleen, in Percys Solde wider mich zu fechten; und, wie ein Hund um seine Fersen dich schmiegend, und höflich einen gnädigen Blik von ihm erbuhlend, zu zeigen, wie sehr du abgeartet bist.

William Shakespeare
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