Coriolanus

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Brutus. Gute oder schlimme?

Menenius. Nicht nach dem Wunsch des Volks; denn sie lieben den Marcius nicht.

Sicinius. Natur lehrt die Tiere selbst ihre Freunde kennen.

Menenius. Sagt mir: Wen liebt der Wolf?

Sicinius. Das Lamm.

Menenius. Es zu verschlingen, wie die hungrigen Plebejer den edlen Marcius möchten.

Brutus. Nun, der ist wahrhaftig ein Lamm, das wie ein Bär blökt.

Menenius. Er ist wahrhaftig ein Bär, der wie ein Lamm lebt.--Ihr seid zwei alte Männer: sagt mir nur eins, was ich euch fragen will.

Brutus. Gut, Herr.

Menenius. In welchem Unfug ist Marcius arm, in welchem ihr beide nicht reich seid?

Brutus. Er ist nicht arm an irgendeinem Fehler, sondern mit allen ausgestattet.

Sicinius. Vorzüglich mit Stolz.

Brutus. Und im Prahlen übertrifft er jeden andern.

Menenius. Das ist doch seltsam! Wißt ihr beide wohl, wie ihr in der Stadt beurteilt werdet? Ich meine, von uns, aus den höheren Ständen. Wißt ihr?

Brutus. Nun, wie werden wir denn beurteilt?

Menenius. Weil ihr doch eben vom Stolz sprachet--wollt ihr nicht böse werden?

Brutus. Nur weiter, Herr, weiter.

Menenius. Nun, es ist auch gleichgültig; denn ein sehr kleiner Dieb von Gelegenheit raubt euch wohl einen sehr großen Vorrat von Geduld. Laßt eurer Gemütsart den Zügel schießen und werdet böse, soviel ihr Lust habt; wenigstens, wenn es euch Vergnügen macht, es zu sein. Ihr tadelt Marcius wegen seines Stolzes?

Brutus. Wir tun es nicht allein, Herr.

Menenius. Das weiß ich wohl. Ihr könnt sehr wenig allein tun; denn eurer Helfer sind viele, sonst würden auch eure Taten außerordentlich einfältig herauskommen; eure Fähigkeiten sind allzu kindermäßig, um vieles allein zu tun. Ihr sprecht von Stolz.--O! könntet ihr den Sack auf eurem Rücken sehn und eine glückliche Überschau eures eignen edlen Selbst anstellen.--O! könntet ihr das!--

Brutus. Und was dann?

Menenius. Ei! dann entdecktet ihr ein paar so verdienstlose, stolze, gewaltsame, hartköpfige Magistratspersonen (alias Narren), als nur irgendwelche in Rom.

Sicinius. Menenius, Ihr seid auch bekannt genug.

Menenius. Ich bin bekannt als ein lustiger Patrizier und einer, der einen Becher heißen Weins liebt, mit keinem Tropfen Tiberwasser gemischt. Man sagt, ich sei etwas schwach darin, immer den ersten Kläger zu begünstigen; hastig und entzündbar bei zu kleinen Veranlassungen; einer, der mit dem Hinterteil der Nacht mehr Verkehr hat als mit der Stirn des Morgens. Was ich denke, sag ich, und verbrauche meine Bosheit in meinem Atem. Wenn ich zwei solchen Staatsmännern begegne, wie ihr seid (Lykurgusse kann ich euch nimmermehr nennen), und das Getränk, das ihr mir bietet, meinem Gaumen widerwärtig schmeckt, so mache ich ein krauses Gesicht dazu. Ich kann nicht sagen: "Euer Edlen haben die Sache sehr gut vorgetragen", wenn ich den Esel aus jedem eurer Worte herausgucken sehe; und obwohl ich mit denen Geduld haben muß, welche sagen, ihr seid ehrwürdige, ernste Männer, so lügen doch die ganz abscheulich, welche behaupten, ihr hättet gute Gesichter. Wenn ihr dies auf der Landkarte meines Mikrokosmus entdeckt, folgt daraus, daß ich auch bekannt genug bin? Welch Unheil lesen eure blinden Scharfsichtigkeiten aus diesem Charakter heraus, um sagen zu können, daß ich auch bekannt genug bin?

Brutus. Geht, Herr, geht! Wir kennen Euch gut genug.

Menenius. Ihr kennt weder mich, euch selbst, noch irgend etwas. Ihr seid nach der armen Schelmen Mützen und Kratzfüßen ehrgeizig. Ihr bringt einen ganzen, ausgeschlagenen Vormittag damit zu, einen Zank zwischen einem Pomeranzenweibe und einem Kneipschenken abzuhören, und vertagt dann die Streitfrage über drei Pfennig auf den nächsten Gerichtstag. Wenn ihr das Verhör über irgendeine Angelegenheit zwischen zwei Parteien habt, und es trifft sich, daß ihr von der Kolik gezwickt werdet, so macht ihr Gesichter wie die Possenreißer; steckt die blutige Fahne gegen alle Geduld auf und verlaßt, nach einem Nachttopf brüllend, den Prozeß blutend, nur noch verwickelter durch euer Verhör.

William Shakespeare
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