Coriolanus

Page 17

Er muß jedem besonders eine Bitte vortragen, dadurch erlangt der einzelne die Ehre, ihm seine eigne Stimme mit seiner eignen Zunge zu geben. Darum folgt mir, und ich will euch anweisen, wie ihr zu ihm gehn sollt.

Alle. Recht so, recht so!

(Sie gehn ab.)

Menenius. Nein, Freund, Ihr habt nicht recht. Wißt Ihr denn nicht, Die größten Männer taten's.

Coriolanus. Was nur sag ich? Ich bitte!--Herr.--Verdammt! ich kann die Zunge In diesen Gang nicht bringen. Seht die Wunden-- Im Dienst des Vaterlands empfing ich sie, Als ein'ge Euer Brüder brüllend liefen Vor unsern eignen Trommeln.

Menenius. Nein.--Ihr Götter! Nicht davon müßt Ihr reden. Nein, sie bitten, An Euch zu denken.

Coriolanus. An mich denken! Hängt sie! Vergäßen sie mich lieber, wie die Tugend, Umsonst von Priestern eingeschärft.

Menenius. Ich bitte! Verderbt nicht alles, sprecht sie an; doch, bitt ich, Anständger Weis. Es kommen zwei Bürger.

Coriolanus. Heißt ihr Gesicht sie waschen Und ihre Zähne reinigen. Ach! da kommt so'n Paar! Ihr wißt den Grund, weshalb ich hier bin, Freund.

Erster Bürger. Jawohl; doch sagt, was Euch dazu gebracht?

Coriolanus. Mein eigner Wert.

Zweiter Bürger. Euer eigner Wert?

Coriolanus. Ja, Nicht Mein eigner Wunsch.

Erster Bürger. Wie? Nicht Euer eigner Wunsch?

Coriolanus. Nein, Freund! nie war's mein eigner Wunsch, mit Betteln Den Armen zu belästigen.

Erster Bürger. Ihr müßt denken, Wenn wir Euch etwas geben, ist's in Hoffnung, Durch Euch auch zu gewinnen.

Coriolanus. Gut, sagt mir den Preis des Konsulats.

Erster Bürger. Der Preis ist: freundlich drum zu bitten.

Coriolanus. Freundlich? Ich bitte, gönnt mir's. Wunden kann ich zeigen, Wenn wir allein sind--Eure Stimme, Herr! Was sagt Ihr?

Zweiter Bürger. Würdger Mann, Ihr sollt sie haben.

Coriolanus. Geschloßner Kauf! Zwei edle Stimmen also schon erbettelt. Eur Almosen hab ich!--Geht!

Erster Bürger. Doch das ist seltsam.

Zweiter Bürger. Müßt ich sie nochmals geben--doch--meinthalb.

(Sie gehn ab.)

Zwei andere Bürger kommen.

Coriolanus. Ich bitt euch nun, wenn sich's zu dem Tone eurer Stimmen paßt, daß ich Konsul werde; ich habe hier den üblichen Rock an.

Dritter Bürger. Ihr habt Euch edel um Euer Vaterland verdient gemacht und habt Euch auch nicht edel verdient gemacht.

Coriolanus. Euer Rätsel?

Dritter Bürger. Ihr waret eine Geißel für seine Feinde; Ihr waret eine Rute für seine Freunde. Ihr habt, die Wahrheit zu sagen, das gemeine Volk nicht geliebt.

Coriolanus. Ihr solltet mich für um so tugendhafter halten, da ich meine Liebe nicht gemein gemacht habe. Freund, ich will meinem geschwornen Bruder, dem Volk, schmeicheln, um eine beßre Meinung von ihm zu ernten: es ist ja eine Eigenschaft, die sie hoch anrechnen. Und da der Weisheit ihrer Wahl mein Hut lieber ist als mein Herz, so will ich mich auf die einschmeichelnde Verbeugung üben und mich mit ihnen abfinden auf ganz nachäffende Art. Das heißt, Freund, ich will die Bezauberungskünste irgendeines Volksfreundes nachäffen und den Verlangenden höchst freigebig mitteilen. Deshalb bitt ich euch: laßt mich Konsul werden.

Vierter Bürger. Wir hoffen, uns in Euch einen Freund zu erwerben, und geben Euch darum unsre Stimmen herzlich gern.

Dritter Bürger. Ihr habt auch mehrere Wunden für das Vaterland empfangen.

Coriolanus. Ich will eure Kenntnis nicht dadurch besiegeln, daß ich sie euch zeige. Ich will eure Stimmen sehr hoch schätzen und euch nun nicht länger zur Last fallen.

Beide Bürger. Die Götter geben Euch Freude: das wünschen wir aufrichtig.

(Die Bürger gehn ab.)

Coriolanus. O süße Stimmen! Lieber verhungert, lieber gleich gestorben, Als Lohn erbetteln, den wir schon erworben. Warum soll hier im Narrenkleid ich stehn, Um Hinz und Kunz und jeden anzuflehn Um nutzlos Fürwort? Weil's der Brauch verfügt. Doch wenn sich alles vor Gebräuchen schmiegt, Wird nie der Staub des Alters abgestreift, Berghoher Irrtum wird so aufgehäuft, Daß Wahrheit nie ihn überragt.

William Shakespeare
Classic Literature Library

All Pages of This Book