Coriolanus

Page 22

Coriolanus, ruhig! Sprich, Freund Sicinius.

Sicinius. Hört mich, Bürger. Ruhig!

Die Bürger. Hört den Tribun. Still! Rede, rede, rede!

Sicinius. Ihr seid daran, die Freiheit zu verlieren. Marcius will alles von euch nehmen, Marcius, Den eben ihr zum Konsul wähltet.

Menenius. Pfui! Dies ist der Weg zu zünden, nicht zu löschen.

Erster Senator. Die Stadt zu schleifen, alles zu zerstören.

Sicinius. Was ist die Stadt wohl, als das Volk?

Die Bürger. Ganz recht! Das Volk nur ist die Stadt.

Brutus. Durch aller Einstimmung sind wir erwählt Als Obrigkeit des Volks.

Die Bürger. Und sollt es bleiben.

Menenius. Ja, so sieht's aus.

Cominius. Dies ist der Weg, um alles zu zerstören, Das Dach zu stürzen auf das Fundament Und zu begraben jede Rangordnung In Trümmerhaufen!--

Sicinius. Dies verdient den Tod!

Brutus. Jetzt gilt's, daß unser Ansehn wir behaupten Oder verlieren. Wir erklären hier Im Namen dieses Volks, durch dessen Macht Wir sind erwählt für sie: Marcius verdient Sogleich den Tod.

Sicinius. Deshalb legt Hand an ihn, Bringt zum Tarpejschen Felsen und von dort Stürzt in Vernichtung ihn.

Brutus. Ädilen, greift ihn!

Die Bürger. Ergib dich, Marcius!

Menenius. Hört ein einzig Wort! Tribunen, hört! ich bitt euch, nur ein Wort.

Ädilen. Still, still!

Menenius. Seid, was ihr scheint, Freunde des Vaterlands. Ergreift mit weiser Mäßgung, was gewaltsam Ihr herzustellen strebt.

Brutus. Die kalten Mittel, Sie scheinen kluge Hilf und sind nur Gift, Wenn so die Krankheit rast. Legt Hand an ihn Und schleppt ihn auf den Fels!

Coriolanus. Nein, gleich hier sterb ich.

(Er zieht sein Schwert.)

Es sah wohl mancher unter euch mich kämpfen; Kommt und versucht nun selbst, was ihr nur saht.

Menenius. Fort mit dem Schwert. Tribunen, steht zurück.

Brutus. Legt Hand an ihn.

Menenius. Helft! helft dem Marcius! helft! Ihr hier vom Adel, helft ihm, jung und alt.

Die Bürger. Nieder mit ihm! Nieder mit ihm!

(Handgemenge, die Tribunen, die Ädilen und das Volk werden hinausgetrieben.)

Menenius. Geh! fort, nach deinem Haus! enteile schnell! Zugrund geht alles sonst.

Zweiter Senator. Fort!

Coriolanus. Haltet stand! Wir haben ebensoviel Freund als Feinde.

Menenius. Soll's dahin kommen?

Erster Senator. Das verhütet, Götter! Mein edler Freund, ich bitte, geh nach Haus. Laß uns des Schadens Kur.

Menenius. Denn unsre Wund ist's: Du kannst nicht selbst dich heilen. Fort, ich bitte.

Cominius. Freund, geh hinweg mit uns.

Coriolanus. O! wären sie Barbaren! (und sie sind's, Obwohl Roms Brut) nicht Römer! (und sie sind's nicht, Obwohl geworfen vor dem Kapitol).

Menenius. Komm! Nimm deinen edlen Zorn nicht auf die Zunge; Einst kommt uns beßre Zeit.

Coriolanus. Auf ebnem Boden Schlüg ich wohl ihrer vierzig.

Menenius. Ich auch nehm es Mit zwei der besten auf, ja, den Tribunen.

Cominius. Doch hier ist Übermacht nicht zu berechnen; Und Mannheit wird zur Torheit, stemmt sie sich Entgegen stürzendem Gebäu. Entfernt Euch, Eh dieser Schwarm zurückkehrt, dessen Wut Rast wie gehemmter Strom, und übersteigt, Was sonst ihn niederhielt.

Menenius. Ich bitte, geh! So seh ich, ob mein alter Witz noch anschlägt Bei Leuten, die nur wenig haben. Flicken Muß man den Riß mit Lappen jeder Farbe.

Coriolanus. Nun komm!

(Coriolanus, Cominius und andere gehn ab.)

Erster Patrizier. Der Mann hat ganz sein Glück zerstört.

Menenius. Sein Sinn ist viel zu edel für die Welt. Er kann Neptun nicht um den Dreizack schmeicheln, Nicht Zeus um seine Donner: Mund und Herz ist eins. Was seine Brust nur schafft, kommt auf die Zunge, Und ist er zornig, so vergißt er gleich, Daß man den Tod je nannte.

(Geräusch hinter der Szene.)

Ein schöner Lärm.

Zweiter Patrizier. O! wären sie im Bett!

Menenius. Wären sie in der Tiber! Was, zum Henker, Konnt er nicht freundlich sprechen! Brutus, Sicinius, Bürger kommen zurück.

Sicinius. Wo ist die Viper, Die unsre Stadt entvölkern möcht, um alles In allem drin zu sein?

Menenius. Würdge Tribunen--

Sicinius. Wir stürzen ihn von dem Tarpejschen Fels Mit strenger Hand; er trotzet dem Gesetz, Drum weigert das Gesetz ihm das Verhör; Die Macht der bürgerlichen Strenge fühl er, Die ihm so nichtig dünkt.

William Shakespeare
Classic Literature Library

All Pages of This Book